11. September 2018Automechanika: Neue Werkstoffe erfordern neue Lösungen
Ob Otto- oder Elektromotor, nach einem Unfall muss das Auto in die Werkstatt. Dann machen sich Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker ans Werk, die Schäden zu reparieren. Warum die Werkstätten unter hohem Kostendruck arbeiten und was die E-Mobilität für die Branche bedeutet, erläutert ZKF-Chef Thomas Aukamm im Interview mit DIE MESSE.
Foto: ZKF
Echte Maßarbeit: Lackieren in der Werkstatt
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Herr Aukamm, der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik e.V. (ZKF) ist auf der Automechanika in Halle 11.1, Stand C43 mit seinem Hauptstand zu finden. Dazu sind Sie bei den Sondershows Oldtimer und Ausbildung präsent. Wo setzen Sie bei diesem großen Engagement Ihre Schwerpunkte?
Der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) hat bei dieser internationalen Fachmesse sogar vier Präsenzen. Zusätzlich zu den genannten Ständen verfügen wir noch im Außenbereich am Stand C03 über eine Fläche zum Thema Caravan-Kompetenz. In Zeiten boomender Freizeitfahrzeuge müssen diese auch fachgerecht repariert werden. Unser Netzwerk für spezialisierte Caravan-Fachbetriebe zeigt hier alles rund um die Schadenbeseitigung am Wohnmobil/-wagen und der Flüssiggasprüfung nach G607.
Weiter präsentieren wir uns für unsere Mitgliedsbetriebe als aktiver Partner im Kampf gegen Rechnungskürzungen durch Versicherer. Ebenso zeigen wir, wie Zeitwerte für die Schadenkalkulation korrekt angewendet werden und wo Optimierungsbedarf für etablierte Kalkulationssysteme und deren Datenbasis besteht. Auch bieten wir jungen Menschen in der Berufswahl erste praktische Erfahrungen an im Umgang mit Metallumformung im Fahrzeugbereich am Ausbildungsstand A15 in der Galleria. Hier kann man selbst Hand anlegen! Im neuen Bereich Oldtimer / Classic Business in der Halle 12.1 Stand B60 zeigen wir live die Restaurierung von klassischen Fahrzeugen an Blech, Lack und Leder.
Für den Fahrzeugbau sucht die Forschung ständig nach neuen Werkstoffen, um Karosserien leicht und gleichzeitig sicher zu machen. Insbesondere Kunststoffe und Faserverbundwerkstoffe versprechen neue Anwendungsmöglichkeiten. Wie ist der derzeitige Stand der Entwicklung und was dürfen wir in Zukunft erwarten?
Neue Materialien im Fahrzeugbau werden immer wichtiger, um Umweltvorgaben und Sicherheitsanforderungen gleichzeitig zu erfüllen. Neben der Entwicklung von neuen Antriebskonzepten ist daher der Einsatz und das Fügen von neuen Werkstoffen eine der Königsdisziplinen im Fahrzeugbau. Die zielgerichtete Anwendung unterschiedlicher Stahlarten, Kunststoffen, CFK sowie Fahrzeugglas wird ständig vorangetrieben und erfordert kontinuierliche Investitionen unserer Mitgliedsbetriebe, damit Fahrzeuge mit einer solchen Materialvielfalt entsprechend fachgerecht nach Herstellervorgaben repariert werden können. Um hierfür Lösungen anzubieten, präsentieren wir uns hier auf der Weltleitmesse im Automotive-Aftermarkt.
Karosserie- und Lackierwerkstätten stehen aufgrund des harten Wettbewerbs unter hohem Kostendruck. Was können sie tun, um noch effizienter und wirtschaftlicher zu arbeiten? Ist vielleicht die Digitalisierung der Autowerkstatt der Schlüssel zur Lösung?
Eine fortschreitende Digitalisierung ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, um mit dem steigenden Kostendruck umzugehen. Ein grundsätzliches Problem bei effizient arbeitenden Betrieben sind die zu niedrigen Stundenverrechnungssätze, die zwischen Betrieben und den Versicherern ausgehandelt werden. Zu niedrige Stundenverrechnungssätze sind das Ergebnis des voranschreitenden harten Wettbewerbs zwischen den Versicherern im Markt der KFZ-Versicherungen.
Letztlich ist jedoch der Betrieb der Leidtragende dieses Preiskampfes. Oft müssen Betriebe zu Stundenverrechnungssätzen arbeiten, die noch nicht einmal die Kosten des Unternehmens decken. Wir denken daher, dass ein fairer und nachhaltiger Umgang zwischen Versicherern und den Betrieben der richtige Schlüssel zur Lösung wäre. Digitalisierung ist hierbei nur eines von vielen Werkzeugen, um zukünftig seine Arbeit effizient gestalten zu können.
E-Mobilität und autonomes Fahren sind seit Jahren die großen Themen auf Automessen. Wie ist Ihre Branche davon betroffen?
E-Mobilität trifft unsere Branche im Karosseriebereich zunächst wenig oder gar nicht, denn auch elektrisch angetriebene Fahrzeuge haben Unfälle, und deren Schäden müssen repariert werden. Wirklich autonomes Fahren auf Level 5 wird uns noch längere Zeit nicht im Alltag begegnen und ist kein Garant dafür, dass keine Schäden an den Fahrzeugen entstehen. Betrachten wir einmal die bereits bestehenden Fahrerassistenzsysteme als Vorstufe zum autonomen Fahren, so stellen wir fest, dass das Schadenvolumen keineswegs geringer mit diesen Systemen wurde. Im Gegenteil ist die Schadenhöhe und -komplexität sogar angestiegen, da die sensible Hardware mit Sensoren und Kameras in unfallempfindlichen Stellen wie Stoßstange, Karosserie und Fahrzeugglas verbaut ist. Als Verband sind wir über Kooperationen und Beiratsmandate sehr eng an zukünftigen Themen und können unsere Mitgliedbetriebe daher frühzeitig über neue Trends informieren.
Manche Experten fürchten, dass Deutschland bei der E-Mobilität den Anschluss an die Weltspitze verliert. Stimmt dieser Eindruck?
Es mag momentan der Eindruck bestehen, dass Deutschland anderen Nationen im Bereich der Elektromobilität hinterher ist. Allerdings bleibt der Verbrennungsmotor auch über die nächste Zeit hin das führende Antriebskonzept, um höhere Reichweiten zu gewährleisten. Zudem muss man sehen, dass in Deutschland ein wesentlicher Teil der bestehenden Industrie im Zusammenhang mit dem Verbrennungsmotor investiert ist. Dies kann im Hinblick auf eine zunehmende Elektromobilität ein Nachteil sein. Asiatische Länder lernen sehr schnell, haben nicht die „Altlast“ einer auf Verbrennungsmotoren basierenden Industrie und verfügen über eine hervorragende Elektronikkompetenz in der Fertigung und Entwicklung. Hinzu kommt, dass die Qualitätsanmutung zum Beispiel koreanischer und chinesischer Produkte immer besser wird. Allerdings vertraue ich auch auf die deutsche Ingenieurskompetenz und glaube fest daran, dass wir mit notwendigen Entwicklungsschritten mithalten werden. Und um Erfolg in dieser Branche zu haben, darf man nicht nur in Deutschland aufgestellt sein, sondern muss sich global orientieren. Und dies tun unsere Autobauer bereits recht gut. Schon lange werden mehr Fahrzeuge deutscher Hersteller im Ausland produziert als in Deutschland selbst.
Der ZKF präsentiert auf der Automechanika den Beruf des Karosserie- und Fahrzeugbaumechanikers, um Schulabgänger für diese Ausbildung zu begeistern. Was erwartet die jungen Besucher am Stand?
In der Galleria am Ausbildungstand A15 präsentiert der ZKF jungen Menschen, die gerne mit ihren Händen arbeiten wollen, eine wunderbare Ausbildungswelt und animiert zum Mitmachen. Jugendliche können zum Beispiel selbst Fahrzeugteile mit einer innovativen Methode ausbeulen oder auch einfach Gegenstände aus Metall, wie eine Schmuckschale oder einen Elefanten abkanten und herstellen. Hierzu laden wir alle Interessierten ein, uns zu besuchen.
Die Messe Automechanika gilt als Leistungsschau der Branche. Auf welche Innovationen sind Sie in diesem Jahr besonders gespannt?
Persönlich interessiert mich die Vorstellung von markenübergreifenden Diagnose- und Programmierwerkzeugen. Der ZKF hat hier gemeinsam unter anderem mit dem Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) ein Produkt namens EuroDFT entwickelt, das barrierefrei den Zugriff auf unterschiedliche Herstellerserver erlaubt und dadurch die Fehleranalyse und -beseitigung an Fahrzeugen vieler Marken ermöglicht. Ein ideales Werkzeug also für die markenunabhängige Werkstatt.
Darüber hinaus werde ich ein besonderes Auge auf Equipment zur Kalibrierung von Assistenzsystemen werfen, was bei deren zunehmendem Einsatz in modernen Fahrzeugen immer wichtiger werden wird.
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