LABVOLUTION 2017

•••3••• Interview Labor 4.0: Vernetzt und interaktionsfähig DIEMESSE im Gespräch über smartLAB mit Dr. Sascha Beutel, Universität Hannover Herr Dr. Beutel, das Labor der Zu- kunft rücken Sie in Hannover auf der smartLAB-Konferenz in den Mittelpunkt. Wodurch zeichnet sich das intelligente „Labor 4.0“ aus? Das smartLAB stellt den ersten Ansatz überhaupt dar, eine voll- ständig vernetzte, interaktions- fähige und individuell anpassbare Laborumgebung zu etablieren. Hierbei organisiert ein Laborma- nagementsystem (LIMS) die bi- direktionale Ansteuerung aller Laborgeräte und ein digitales La- borjournal die strukturierte Archi- vierung aller erzeugten Daten. Das etablierte System ist dazu in der Lage, über geeignete Mittler- module auch ältere Bestandsge- räte, mit zum Beispiel analogen Schnittstellen, in den Aufbau zu integrieren, und erlaubt darü- ber hinaus eine direkte Interak- tion des Nutzers mit den System- komponenten über geeignete Frontend-Systeme. Der gesamte smartLAB-Laboraufbau ist zudem modular, sodass er sich im Sinne des aus der Industrie entlehnten Ballroom-Konzeptes nach den Bedürfnissen beziehungsweise Arbeitsvorgängen individuell um- strukturieren lässt. Und besonders wichtig: Durch Funktionalisierung der einzelnen Wabenmodule und Integration von Laborgeräten wie Rührern, Waagen oder Sensoren direkt in die Oberfläche der Module er- hält der Nutzer endlich wieder eine unverbaute Oberfläche für seine praktischen Laborarbeiten. Zusätzlich werden natürlich auch viele zukunftsweisenden Techno- logien im smartLAB aufgegriffen, thematisiert und getestet, wie zum Beispiel die Unterstützung durch für die Mensch-Maschine- Interaktion zugelassene Ro- botik, der Einsatz von 3D- Druck für die Herstellung individualisierter Materia- lien oder die Modifizierung von Laboroberflächen, um schmutz- oder wasserab- weisende beziehungsweise selbstreinigende Oberflä- chen zu erzeugen. Wir ver- stehen uns als Plattform für die Testung innovativer Konzepte, die Zukunfts- technologien für die Labor- umgebung adaptiert und so eine realistische Vision des Labors der Zukunft entwirft und aufzeigt. Im Mittelpunkt stehen in diesem Jahr Themen wie Visualisierung, Interaktion und Kommunikation. Was bedeutet das konkret? Insbesondere die Aspekte Visua- lisierung, Interaktion und Kom- munikation sind aus unserer Sicht Kernelemente einer gelungenen smarten Laborumgebung. Denn nur eine geeignete und zeitnahe Visualisierung bietet dem Nutzer eine direkte Interaktionsmög- lichkeit. Wir haben uns hier für eine Laborschutzbrille mit Daten- brillenfunktion entschieden, die zum einen alle relevanten Infor- mationen direkt ins Sichtfeld des Nutzers einblenden kann und es dem Nutzer zum anderen erlaubt, berührungsfrei per Sprach- oder Gestensteuerung mit dem System zu interagieren. Zusätzlich wird es so möglich, auch geräteunab- hängige Informationen wie zum Beispiel arbeitssicherheitsbezo- gene Informationen zu Chemika- lien (GHS-Warnhinweise, H- und P-Sätze) als Augmented-Reality- Funktion zu integrieren oder die Kamerafunktion der Datenbrille für eine Videodokumentation zu nutzen. Darüber hinaus und unabhängig vom grundlegenden smartLAB- Konzept möchten wir für die smartLAB-Messepräsentation in diesem Jahr auch eine noch besse- re Interaktivität mit dem Messe- besucher erreichen. Der Zuschau- er soll das smartLAB im besten Sinne „begreifen“ können, sodass wir viele Elemente entwickelt ha- ben, die der Besucher selbst aus- probieren kann, wie zum Beispiel eine Datenbrillenapplikation, eine Logistik-App oder die Tes- tung innovativer Oberflächenbe- schichtungen. Über eine zusätz- liche Twitter-Socialmedia wall (@ smartLAB2017) erhoffen wir uns weiterhin ein direktes Feedback beziehungsweise Kritik und Anre- gungen für die Weiterentwicklung unseres smartLAB-Ansatzes. Drei Anwendungsszenarien werden auf der Konferenz diskutiert und auf der Messe zu sehen sein. Was veranschaulichen die use-cases? Die use-cases sind Fallbeispie- le typischer Laborarbeiten, an- hand derer wir das Potenzial der smartLAB-Laborumgebung auf- zeigen wollen. In diesem Jahr zei- gen wir den Start einer Bioreak- torkultivierung, die Analyse einer Bodenprobe auf Phosphat sowie die Testung von Popcorn auf ent- haltenen Genmais. Diese drei use-cases stehen exem- plarisch für grundlegend verschie- dene Anwendungsgebiete, in diesem Fall Biotechnologie, agra- rische beziehungsweise Umwelt- analytik sowie molekularbiolo- gische Lebensmittelanalytik und zeigen so das Potenzial für alle Laborbereiche auf. Die Beispiele wurden darüber hinaus auch aufgrund ihrer gesellschaftlichen Aktualität ausgewählt, etwa in Bezug auf kritische Phosphatbe- lastungen von Böden oder die Präsenz gentechnisch veränderter Organismen in unserer Nahrung. Die Durchführung der use- cases wird hierbei voll- ständig digital unterstützt durchgeführt, sodass alle innovativen Elemente des smartLAB-Aufbaus genutzt werden und dem Zuschauer so anschaulich das Potenzial einer smarten Laborumgebung veran- schaulicht wird. Die Standardisierung von Labor- technologien ist ein Kernziel der smartLAB-Initiative. Welche Hür- den sind noch zu meistern, damit sich alle Komponenten untereinan- der verstehen? Tatsächlich ist die Standardisie- rung der Labortechnologien be- ziehungsweise genauer gesagt der Schnittstellenprotokolle der Laborgeräte ein wichtiges The- ma, um Technologien schnell und einfach in das Netzwerk einzubin- den. Ein Traum wäre eine klassi- sche Plug&play-Funktionalität, um schnell und einfach neue Geräte einzubinden. Es existieren hierfür auch schon verschiedene Ansätze, wovon wir mit unserem Partner Fraunhofer IPA und dem dort ent- wickelten SiLA-Standard auch eines im smartLAB präsentieren, aller- dings können wir als smartLAB- Initiative hier nur versuchen, Über- zeugungsarbeit zu leisten, denn letztlich sind hier die Hersteller ge- fordert, sich dem Wettbewerb zu öffnen und sich auf einen Standard zu verständigen. Unser Ansatz im smartLAB ist da- her im Moment eher, mit dem ak- tuellen Zustand umzugehen, das heißt, von heterogenen Schnitt- stellen und älteren, teilweise ana- logen Bestandsgeräten im Labor auszugehen und Lösungen für die aktuelle Situation zu erarbeiten, etwa in Form des oben genannten Mittler- oder Konnektormoduls, das in der Lage ist, verschiedens- te Schnittstellenprotokolle für das LIMS zu vereinheitlichen. Ein Blick voraus: Welche weiteren neuen Optionen eröffnen sich der Wissenschaft und der Industrie zu- künftig mit einem smarten Labor? Das smarte Labor wird sich aus meiner Sicht durchsetzen, wenn es gelingt, eine kritische Anzahl sogenannter workflows, also strukturierter Arbeitsabläufe, di- gital umzusetzen und diese für Nutzer in Form einer Applikations- datenbank zugänglich zu machen. Denn noch ist die Programmie- rung dieser workflows, bei uns ex- emplarisch in Form der use-cases dargestellt, händisch und somit sehr aufwendig. Daher sehe ich die Adaptierung smarter Laborumgebungen zu- nächst vor allem im Bereich stark repititiver Arbeiten, zum Beispiel in Analysen- oder Qua- litätssicherungslaboren, in de- nen wiederkehrende workflows standardisiert abgearbeitet und dokumentiert werden müssen, und weniger in wissenschaftli- chen Forschungslaboren, wo fast jedes Experiment individuell ist und meist nur einmal durchge- führt wird. Hierfür lohnt sich der Aufwand für eine umfängliche Programmierung der workflows in der Regel nicht. Einzelne Aspekte des smartLABs aber, wie zum Beispiel die Indivi- dualisierung von Labormaterialien mittels 3D-Druck oder die Kombi- nation von Laborwaage mit einem Autodosagesystem, sind aber auch für den Forschungsbereich hoch interessant, sodass auch für diese Bereiche zukunftsweisende Inhalte durch die smartLAB-Ini- tiative generiert und aufgezeigt werden. Vollständig vernetzt, interak- tionsfähig und individuell an- passbar: Das smartLAB schafft die Voraussetzungen für die in- telligente Laborumgebung der Zukunft. Auf der Labvolution ist das Labor 4.0 zentrales Thema auf der smartLAB-Konferenz. DIEMESSE sprach mit Dr. Sa- scha Beutel vom Institut für Technische Chemie der Leibniz Universität Hannover über die Details. Dr. Sascha Beutel, Institut für Technische Chemie der Leibniz Universität Hannover Foto: Universität Hannover Smarte Technik: Labormodul mit integriertemMagnet- rührer Foto: Universität Hannover

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