InnoTrans 2018

•••3••• Interview szenarien bestimmt, war für den Einsatz am Flughafen München individuell zu definieren. Da der Nachweis für eine geplante Ein- satzdauer von 30 Jahren geführt werden sollte, mussten auch mög- liche Veränderungen bei der Be- schaffenheit des Fahrweges und gegebenenfalls mögliche Stre- ckenerweiterungen berücksich- tigt werden. Zunächst haben Sie das dortige Be- lastungsszenario synthetisch mo- delliert. Was bedeutet das konkret? Zu Beginn des Projektes war die originale Strecke noch nicht ver- fügbar. Um trotzdem realitätsna- he Daten für genau diese Strecke zu generieren, wie es gefordert war, wurde sie synthetisch mo- delliert, das heißt aus einzelnen verschiedenen Bausteinen zusam- mengesetzt. Die verschiedenen Routenvarianten der Fahrstrecke waren in einem Betriebsplan be- schrieben und wurden dazu in kurze relevante Abschnitte zer- legt, zum Beispiel Geraden, Kur- ven, Weichen, Bremswege usw. Diese Teilstrecken mussten mit realen Belastungsdaten beschrie- ben werden. Daher wurden auf einer kurzen Teststrecke des Herstellers Bombardier Trans- portation Messungen für solche typischen Streckenelemente durchgeführt und die einzelnen Bausteine jeweils durch solche repräsentativen Messabschnitte ersetzt. Die einzelnen Belastungs- verläufe dieser Modellabschnit- te wurden synthetisch zu einem Abbild der realen Strecke zusam- mengefügt, wobei dies für die gesamte geplante Fahrzeugein- satzzeit von 30 Jahren mehrere zehntausend Mal zu wiederho- len war. Die späteren Messungen auf der Strecke in München des realen Einsatzes zeigten die gute Übereinstimmung zwischen syn- thetischemModell und der Praxis. Im Anschluss erfolgte ein experi- menteller Lebensdauernachweis im Labor. Was umfasste das Test- szenario? Ein Laborversuch muss alle re- levanten Belastungsrichtungen, die von außen auf die Baugruppe einwirken, so abbilden, dass dies der Schädigung aus dem späteren Praxisbetrieb entspricht. Durch eine detaillierte Analyse der Messdaten wurden diese Größen vorab vom Fraunhofer LBF festge- legt. Der Versuchsaufbau wurde so konzipiert, dass die gesamte Achsbaugruppe mit den relevan- ten Kräften an den Rädern und der Führungseinrichtung in meh- rere Richtungen belastet wird. Die Achse ist dabei so eingebaut, wie sie am Unterboden des Fahrzeugs befestigt ist, sodass alle Anbin- dungselemente mit geprüft wer- den können. Die Lasten werden in diesem Prüfstand durch geregelte servohydraulische Zylinder einge- leitet. Auch im Versuch werden an der Baugruppe an verschiede- nen Stellen Beanspruchungen und Lasten gemessen, sodass sicher- gestellt werden kann, dass diese mit denen aus den zuvor durchge- führten Teststreckenmessungen übereinstimmen. Neben verschie- denen statischen Messungen in unterschiedlichen Lastkombina- tionen wird vor allem der Lebens- dauerversuch durchgeführt, der die umgangssprachliche Material- ermüdung im Betrieb simuliert. Dabei wurde ein stark geraffter Belastungsverlauf aufgebracht, der auf der eben genannten syn- thetischen Strecke basiert. Mit diesem konnte die reale Betriebs- zeit von 30 Jahren in weniger als drei Monaten abgebildet werden. Nach dem Versuch wurde die Bau- gruppe zerlegt. Welche Ergebnisse brachten die abschließenden Prü- fungen? Bei solchen Sicherheitsbautei- len wie Achskomponenten ist es nicht nur gefordert, dass die vor- gesehene Lebensdauer im Ver- such erreicht wird. Es muss dar- über hinaus auch sichergestellt sein, dass alle relevanten Einzel- teile danach in einem sicheren und noch einwandfrei funktionie- renden Zustand sind. Auch wenn natürlich über diese sehr lange Laufzeit ein gewisser unvermeid- barer Verschleiß auftreten wird, muss aber ausgeschlossen wer- den, dass relevante Schäden wie Risse vorliegen, die unter einer Belastungsspitze zu einem plötz- lichen Versagen führen könnten. Alle Bauteile wurden daher ein- zeln mittels Farbeindringverfah- ren und Magnetpulver auf Anrisse untersucht. So konnte nachge- wiesen werden, dass die Bauteile nach den aufgebrachten harten Beanspruchungen noch voll funk- tionsfähig waren. Auf der InnoTrans präsentiert das Fraunhofer LBF die Ergebnisse seiner Forschungsprojekte in Hal- le 23 Stand 207. Welche weiteren Schwerpunkte setzen Sie in Berlin? Wir stellen am Fraunhofer LBF- Stand vor, wie man einen Be- triebsfestigkeitsnachweis kom- plett in der virtuellen Welt führen kann. Analog zu den messtechni- schen und experimentellen Arbei- ten für das führerlose Personen- transportsystem kann man mit Mehrkörpersimulations- und Fini- te-Element-Methoden ebenfalls die in Systemen vorliegenden Be- lastungen ermitteln und mit den berechneten lokalen Beanspru- chungen eine Betriebsfestigkeits- abschätzung durchführen. Diese Methode bietet sich insbesonde- re zu frühen Zeitpunkten der Fahr- zeugentwicklung an. Ferner zeigen wir unsere Mög- lichkeiten bei der Charakterisie- rung und Lebensdauerermittlung von Elastomerwerkstoffen und -bauteilen. Im Feld der Elasto- merbauteile führen wir aktuell viele Projekte zur Ermittlung des dynamischen Übertragungsver- haltens der Bauteile durch. Diese Daten helfen uns, geeignete Elas- tomerlagermodelle zu entwickeln und zu parametrieren, die dann wieder in der Mehrkörpersimu- lation zum Einsatz kommen und die Simulationsgüte erhöhen. So schließt sich der Kreis hin zur vir- tuellen Welt. Servohydraulischer 6-kanaliger Festigkeitsversuch mit Fahrwerk des Personentransportsystems Foto: Fraunhofer LBF Simulation der Materialermüdung

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