POWTECH 2019

•••3••• Interview Gezielte Steuerung von Nanopartikeln DIEMESSE im Gespräch mit Simon Aßmann, Forscher an der Universität Erlangen-Nürnberg Herr Aßmann, in industriellen An- wendungen werden Nanopartikel immer wichtiger. Welche Gründe gibt es dafür? Viele Nanomaterialien besitzen im Vergleich zum Vollmaterial des gleichen Stoffes veränderte ther- mische, mechanische, elektrische und auch optische Eigenschaften. Mit neuen technischen Möglich- keiten können Materialien auf diesen Größenskalen gezielt ent- wickelt und modifiziert werden. Dies erlaubt die Herstellung von Nanomaterialien mit sehr genau definierten Eigenschaften, die be- reits in vielen Bereichen Anwen- dung finden. Nanoskalige Metall- oxidpartikel wie Titandioxid und Zinkoxid werden als wirksame UV-Filter in Sonnencremes einge- setzt, Industrieruße, sogenannte Carbon Blacks, dienen seit langem als Schwarzpigmente in Farben und Lacken und als Füllstoffe in der Kautschukindustrie. Darüber hinaus profitiert die chemische Industrie von einem reduzierten Materialaufwand bei Einsatz von Nano-Katalysatoren. Nicht zuletzt können durch den Einsatz von Na- nopartikeln auch Werkstoffe und Produkte mit neuen Eigenschaf- ten entwickelt werden. Welchen Einfluss haben Größe und Struktur der Nanopartikel auf die spätere Produktqualität? Der Einfluss morphologischer Ei- genschaften auf die Produktqua- lität lässt sich sehr gut am Beispiel von Industrieruß zeigen. Dieser besteht aus verzweigten, ketten- förmigen Strukturen, soge- nannten Aggregaten, die aus sehr kleinen, meist ku- gelförmigen Primärpartikeln mit Durchmessern im Be- reich zwischen 3 und 100 Na- nometern aufgebaut sind. Die Rußaggregate erreichen typischerweise Größen von mehreren Hundert Nano- metern und können sehr of- fene Strukturen aufweisen. Carbon Blacks mit geringen Primärpartikel- und Aggre- gatgrößen weisen eine sehr hohe Schwarzfärbung aus, lassen sich aber aufgrund der hohen Anziehungskräf- te in diesem Größenbereich schlechter für den Einsatz in Farben und Lacken disper- gieren. Als Beimischung in Kautschukprodukten beeinflusst die Größe und Struktur der Ruß- aggregate stark die Elastizität und Abriebeigenschaften des Materi- als, beispielsweise beim Einsatz in der Reifenindustrie. Mit berührungslosen optischen Messtechniken lassen sich solche Partikelsysteme vermessen. Wie funktionieren diese Verfahren? Mit den von uns hauptsächlich entwickelten und eingesetzten Methoden lassen sich unter- schiedliche Größen- und Formpa- rameter von Partikelaggregaten vermessen. Die Laserinduzierte Inkandeszenz eignet sich zur Be- stimmung der Primärpartikelgrö- ße von Nanopartikeln. Dabei wer- den die Partikel mit Hilfe eines kurzen Laserpulses sehr schnell aufgeheizt. Die starke Tempera- turerhöhung führt zur Emission thermischer Strahlung (Glühen oder auch Inkandeszenz). Ver- schiedene Wärmeübertragungs- mechanismen, vor allem Sublima- tion und Wärmeleitung, führen zu einer raschen Abkühlung der Partikel und zu einem zeitlichen Abfall des Glühsignals innerhalb weniger Milliardstel Sekunden. Die Abfallzeit ist dabei abhängig von der spezifischen Oberfläche und damit der Größe der Primär- partikel. Entscheidend für die Anwendbarkeit dieses Messprin- zips sind dabei maßgeblich die Absorptions- und Emissionseigen- schaften des Partikelmaterials. Zur Charakterisierung von Größe und Struktur von Nanoaggrega- ten eignet sich hingegen die elas- tische Lichtstreuung. Meist wird hierbei an Partikeln gestreutes Laserlicht unter verschiedenen Winkeln detektiert, welches stark größen- und formabhängig ist. Bildgebende Verfahren ermög- lichen beispielsweise die Unter- suchung der Partikelbildung in der Flammensynthese mit hoher räumlicher Auflösung. Dabei wird das Streulicht mit einem schwenk- baren Kamerasystem aus unterschiedlichen Winkeln aufgenommen. Für Messun- gen an Industrieaerosolen wird an den Aerosolparti- keln gestreutes Laserlicht mit einem speziellen Spiegel und einer Kamera erfasst. Mit Hilfe dieses Spiegels können wir dabei Daten in bisher unerreichter Auflö- sung aufnehmen, wodurch neben der Größe und Struk- tur der Partikel auch deren Größenverteilung für uns zugänglich wird. Da hierfür jeweils ein einzelnes Kame- rabild ausreicht, können so auch dynamische Prozesse untersucht werden. Welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich mit diesen Messtech- niken für den Anwender? Mit Hilfe dieser Messtechniken kann die Produktion von Nano- partikeln überwacht und gezielt gesteuert werden, da eine Da- tenerfassung und -auswertung in Echtzeit realisierbar ist. Damit ist eine schnelle Anpassung der Prozessparameter im laufenden Prozess möglich und führt zu op- timierter Produktqualität und geringerer Fehlproduktion. Ein- sparpotenzial liegt auch in einem reduzierten Einsatz von zeit- und damit kostenintensiven Mess- verfahren wie der Elektronen- mikroskopie, da viele relevante morphologische Parameter mit den optischen Messmethoden zugänglich sind. So können neue Nanomaterialien in Forschung und Industrie schnell und kosten- günstig hergestellt werden und die Entwicklung neuer Produkte forcieren. Die Charakterisierung von Pulvern im Nanobereich erörtern Sie auf der Powtech am 10. April auf dem Networking Campus in Halle 5. Welche weiteren Aspekte werden Sie in Ihrem Vortrag ansprechen? Der Fokus des Vortrags liegt auf den Anwendungsmöglichkeiten der Laserinduzierten Inkandes- zenz und der elastischen Licht- streuung zur morphologischen Charakterisierung von Nanoparti- keln. Im Rahmen der Sonderschau des Networking Campus auf der Powtech stellen wir hierzu auch ein Demonstrationsgerät zur On- line-Partikelcharakterisierung vor. Darüber hinaus möchte ich auch die Anwendungsmöglichkei- ten optischer Messtechniken für die Spraydiagnostik und Verbren- nungsforschung ansprechen, die neben der Partikelmesstechnik weitere Kernkompetenzen unse- res Lehrstuhls darstellen. Charakterisierung von Nanopar- tikeln im Fokus: Welche neuen Möglichkeiten berührungslose optische Messtechniken hierbei heute bieten, diskutiert der Wis- senschaftler Simon Aßmann auf dem neuen Networking Cam- pus der Powtech. „Mit Hilfe dieser Messtechniken kann die Produktion von Nanopartikeln überwacht und gezielt gesteu- ert werden“, erläutert er im Ge- spräch mit DIEMESSE . Simon Aßmann, wissenschaftli- cher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Thermische Thermodynamik der Universität Erlangen-Nürnberg Foto: FAU / Markus Labus Reduzierter Materialaufwand Schnell und kostengünstig Ellipsoider Spiegel zur Messung elastisch gestreuten Lichts an Partikeln und Tropfen zur Aerosolcharakteri- sierung Foto: FAU / Franz Huber Der Networking Campus , der auf der Powtech Premiere feiert, soll kommunikativer Treffpunkt und Diskussionsplattform für junge Forscher, Start-ups und Entwick- ler werden. Herzstück des Cam- pus ist eine offene Vortragsbüh- ne. Hier bringen sich Teilnehmer nach dem Barcamp-Prinzip in ein interaktives Programm ein. In Kurzvorträgen, Workshops und Diskussionen bieten die Beteilig- ten einen Blick in die Zukunft der modernen Schüttgut- und Parti- keltechnik.

RkJQdWJsaXNoZXIy NjM5MzU=