LogiMat 2019

•••3••• Interview Wenn Industrie 4.0 aus dem Koffer kommt DIEMESSE im Gespräch mit Professor Dr. Norbert Bartneck, Hochschule Ulm Herr Prof. Dr. Bartneck, das Insti- tut für Betriebsorganisation und Logistik der Hochschule Ulm ist auf der Messe LogiMAT in Hal- le 5, Stand C02 zu finden. Welche Schwerpunkte setzen Sie in diesem Jahr in Stuttgart? Für uns als Hochschulinstitut ist die LogiMAT seit vielen Jahren ein wichtiges Forum. Einmal erfahren und diskutieren wir hier hautnah aktuelle Trends der Intralogistik. Außerdem ist die LogiMAT für uns eine wichtige Kontaktbörse zu Studieninteressierten und zu Firmen, die an einer Zusammen- arbeit auf Hochschulebene Inter- esse haben. Die beiden Highlights, die wir dieses Jahr zeigen, sind ein Planspiel, das auf spielerischer Ebene ausgewählte Konzepte der Industrie 4.0 vermittelt, und der Einsatz von Servicerobotern für die Kommissionierung – zusam- men mit unseren Projektpartnern aus dem ZAFH Forschungsprojekt „Flexible Intralogistik“. Sie werden auf der LogiMAT eine Robotiklösung für die Intralogistik zeigen und forschen zur Schnitt- stelle Mensch-Roboter. In welcher Form können Mensch und Maschi- ne im Unternehmen zusammenar- beiten und was für Zukunftssze- narien zeichnen sich hier ab für Materialfluss und Unternehmens- logistik? Die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Roboter bildet ein enorm wichtiges Element, wenn es darum geht, die Flexibilität in der Kommissionierung als zent- ralen Prozess der Intralogistik zu verbessern. Die Zusammenarbeit zwischen dem Menschen und Robotern kann dabei in unterschiedlichen Formen stattfinden. So können zum Beispiel Kommissionierauf- träge zwischen Mensch und Roboter aufgeteilt werden, zum Beispiel indem der Ro- boter in der Nacht vorkom- missioniert und der Mensch in der Hauptschicht die Aufträge ergänzt. Oder der Mensch kann als Supervisor des Roboters arbeiten. Soll- te zum Beispiel der Roboter einen Artikel nicht sicher erkennen, assistiert Kollege „Mensch“. Dies könnte von einem zentralen Kontroll- raum passieren oder direkt auf dem Shopfloor. Von großer Bedeutung ist für uns auch, dass die Systeme lernfähig werden, das heißt sich auf neue Aufgaben (zum Beispiel Erken- nung neuer Artikel) adaptieren können. Auch hier ist wieder eine Zusammenarbeit mit dem Men- schen erforderlich, der dieses Ler- nen unterstützt. Fahrerlose Transportsysteme und dezentral gesteuerte Fördersys- teme werden auch für kleine und mittelständische Unternehmen zunehmend interessant. Was dür- fen wir für die Zukunft an Innova- tionen erwarten und an welchem Punkt stehen die deutschen Un- ternehmen bei automatisierten Transportlösungen? Für den Einsatz von fahrerlo- sen Transportsystemen besteht vor allem im Produktionsumfeld wachsendes Interesse. Dies sehen wir auch an der steigenden Zahl von Anfragen aus der Industrie. Hier setzen neue Ansätze auf stär- kere Autonomie in der Navigation, das heißt, die Fahrzeuge sind nicht mehr auf vorgegebene Leitlinien angewiesen, sondern suchen sich ihren Weg situationsabhängig. Für mittelständische Firmen ist vor al- lem wichtig, dass automatisierte Lösungen zeit- und kosteneffizi- ent an neue Aufgaben angepasst werden können. Das ist auch ein wesentliches Ziel des Forschungs- projektes Flexible Intralogistik. Spannend finde ich auch die Ent- wicklung einer sogenannten Auto- nomy-as-a-Service-Plattform einer Start-up-Firma, die den Einsatz ei- ner ganzen Flotte von selbststän- dig agierenden Fahrzeugen ermöglichen soll und dies erfolgreich in Pilotprojek- ten mit Paketdienstleistern erprobt hat. Darüber hin- aus bewegen sich Innova- tionen in Richtung offener Standard-Schnittstellen (Stichwort OPC-UA), die das flexible Zusammenspiel un- terschiedlicher Intralogis- tiklösungen erlauben. Industrie 4.0 ist das Schlag- wort auch in der Logistik. Sie haben dazu an Ihrem Institut ja ein Planspiel aufgebaut. Wie funktioniert es und wer soll damit „spielen“? Die Hauptmotivation für dieses Planspiel war es, in mittelständischen Unternehmen unter dem Titel „Industrie 4.0 aus dem Koffer“ ausgewählte Kon- zepte für die Mitarbeiter erlebbar zu machen. In mehreren Runden können sie erfahren, zu welchen Problemen es kommen kann, wenn man bei ständig steigenden Anforderungen, zum Beispiel in der Individualisierung der Produk- te, nur auf klassische Lösungen setzt und wie sich die Probleme auflösen, wenn geeignete Identi- fikations- und Kommunikations- techniken wie RFID oder NFC und der Einsatz von Smart Tablets zu Prozessverbesserungen führen. Wir werden dieses Spiel auch in unseren eigenen Lehrbetrieb ein- bringen. Mit welchen weiteren Forschungs- themen sind Sie befasst? Weitere Forschungsthemen, die wir im Rahmen eines sogenann- ten kooperativen Promotions- kollegs mit der Universität Ulm bearbeiten, sind: 1. Die Lernfähig- keit von Robotersystemen in der automatischen Artikel-Erkennung zu verbessern; 2. Adaptive, ser- vice-orientierte Software-Archi- tekturen auf Grundlage von Multi- agenten-Systemen für den Einsatz in verteilten Industrie-4.0-Anwen- dungen zu entwickeln; 3. Analyse- Algorithmen des Semantic Web für die Planung von Produktions- und Logistiksystemen einzuset- zen, um relevante Informationen aus sozialen oder technischen Da- ten für logistische Planungspro- zesse nutzbar zu machen. Die Logistikbranche in Deutsch- land ist ein dynamischer, wachsen- der Wirtschaftssektor. Gibt es aus- reichend Fachkräfte oder hat auch diese Branche Nachwuchssorgen? Diese Frage kann ich vor allem aus dem Blickwinkel der akademi- schen Ausbildung beantworten. Hier besteht ein sehr großer Be- darf an Logistikfachkräften vor al- lem bei der produzierenden Indus- trie. Wir erleben eine sehr große Nachfrage der Industrie nach den Absolventen unserer logistikori- entierten Bachelor- und Master- studiengänge Wirtschaftsingeni- eur und Systems Engineering and Management, jeweils mit dem Schwerpunkt auf der Logistik. Diese enge Abstimmung zwischen wirtschaftlichen und technischen Fragestellungen sind in der Logis- tikbranche sehr begehrt. Die LogiMAT gilt als Leistungs- schau der Branche. Auf welche In- novationen sind Sie persönlich in diesem Jahr besonders gespannt? Neben den roboter- und kamera- basierten Lösungen interessiert mich vor allem, welche neuen Lö- sungen im IT-Umfeld zu sehen sind. Messebesucher drücken ja gerne selbst auf Knöpfe, um neue Tech- nologien auszuprobieren. Was kann man an Ihrem Stand erleben? Knöpfe drücken kann man im er- weiterten Sinn natürlich bei unse- rem Planspiel. Genauso spannend dürfte es aber sein, die Roboter zu beobachten, wie sie Kommis- sionieraufgaben selbstständig ausführen. Es lohnt sich auf jeden Fall, unseren Stand zu besuchen. Das Zauberwort Industrie 4.0 verheißt die Fabrik der Zukunft, in der alles mit allem vernetzt ist. Doch wie dies in der Realität aussehen könnte, ist nicht unbe- dingt für jeden Betriebsmitar- beiter einsichtig. Daher hat Pro- fessor Dr. Norbert Bartneck mit seinem Team an der Hochschu- le Ulm ein Planspiel entwickelt: „Industrie 4.0 aus dem Koffer“ soll „ausgewählte Konzepte für die Mitarbeiter erlebbar ma- chen“, so Professor Bartneck. Wie er die automatisierte Pro- duktion mit seiner Forschung vorantreibt, erläutert er im Ge- spräch mit DIEMESSE . Prof. Dr. Norbert Bartneck, Leiter des Instituts für Betriebsorganisation und Logistik an der Hochschule Ulm Foto: Hochschule Ulm Ein Mitarbeiter bei der Kommissionierung mit einer Datenbrille Foto: Hochschule Ulm

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