Intec 2021

••• 11 ••• Innovationen Sie hören auf die Hand: Roboter im Automobilbau ohne Berührung kontrollieren D ie flache Hand in die Luft hal- ten, ein Wischen nach links oder rechts – wie bei Spielkonso- len werden Roboter in Fabriken zu- künftig berührungslos kontrolliert. Denn die industrielle Gestensteue- rung ist nun marktreif. Entwickelt haben sie Forscherinnen und For- scher des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umform- technik IWU. Sie basiert auf der intelligenten Kopplung optischer Sensoren, innovativer Bildverarbei- tungsverfahren und berührungs- loser Bedieninterfaces. Die direkte Zusammenarbeit von Menschen und Robotern in der Produktion wird damit intuitiver, effizienter und ergonomischer. Geltende Richt- linien zur Maschinensicherheit und zumDatenschutzwerden dabei ein- gehalten. Wer zukünftig in Fabriken geht, in denen Produktionsroboter arbei- ten, wird Menschen sehen, die ih- re Arme und Hände vor sich in der Luft bewegen, ohne dass sie mit Kolleginnen oder Kollegen kom- munizieren. Sie steuern mit die- sen Gesten ihre Roboterkollegen. „Uns hat das bei der Entwicklung immer ans Dirigieren eines Chors oder Orchesters erinnert. Auch bei unserer Gestensteuerung ach- ten die Mitglieder des ‚Ensembles‘, nämlich die Roboter, sehr genau auf Arm- und Handbewegungen“, sagt Paul Eichler, Projektleiter in der Abteilung für Robotertechnik am Fraunhofer IWU. „Konventio- nelle Bedienelemente wie Knöpfe und Schalter werden überflüssig. Die Beschäftigten können sich ganz natürlich bewegen, um mit den Robotern zu interagieren – als würden sie einem anderen Men- schen in der Fabrik per Handzei- chen ein ‚Stopp‘ oder eine Rich- tung anzeigen.“ Damit die berührungsfreie Robo- tersteuerung funktioniert, haben die Fraunhofer-Forschenden ei- gens entwickelte Bahnplanungs- Algorithmen, smarte optische Sensoren, schnelle und stabile Bildverarbeitungsverfahren sowie frei platzierbare Bedieninterfaces aufeinander abgestimmt. „Unsere Technologie holt die Gestensteue- rung in den Industriebereich. Viele Menschen kennen sie von zuhau- se, wo sie bisher hauptsächlich bei Computerspielen angewendet wird, etwa bei Konsolen für den Heimgebrauch. Die Bewegungen der Spielenden werden erfasst und sofort in Spielmanöver auf dem Bildschirm umgesetzt. Wir steu- ern hier jedoch keine Spielfiguren, sondern Maschinen und Anlagen“, erklärt Dr.-Ing. Mohamad Bdiwi, Leiter der Abteilung für Roboter- technik am Fraunhofer IWU. „Zur unmittelbaren Steuerung sind Pro- grammierkenntnisse nicht mehr nötig. Die Beschäftigten steuern die Roboter intuitiv.“ Marktreife im Karosseriebau von E-Fahrzeugen bewiesen Die Gestensteuerung von Indust- rierobotern ist technisch ausgereift und zuverlässig. Sie hält die gelten- den Sicherheitsvorgaben für die Zertifizierung im Sinne der EU-Ma- schinenrichtlinie ein. Integriert sind auch Verfahren zur Anonymisie- rung. Da anfallende Daten zudem nicht in einer Cloud gespeichert, sondern vor Ort in der Fabrik verar- beitet werden, ist auch der Daten- schutz nach der DSGVO gesichert. Ihre Marktreife hat die Gesten- steuerung im Automobilbau schon bewiesen – bei der Volkswagen Sachsen GmbH. Dort sieht man klare Vorteile bei der Herstellung des hochmodernen Modularen E- Antrieb-Baukastens (MEB). IWU- Projektleiter Paul Eichler: „Antrieb für unseren Partner war, die Ergo- nomie für dieMitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Prüf- und Arbeits- station am Ende der Ausschweißli- nie imKarosseriebau zu verbessern. Wir haben gezeigt, dass unser Sys- tem gestengesteuerter Schwerlast- roboter in der Fertigung viele Vor- teile bringt. Die Gestensteuerung ermöglicht es den Beschäftigten, die Position und Ausrichtung des Roboters individuell und in feinen Abstufungen einzustellen. Die Pro- duktion wird dadurch effizienter und flexibler.“ Die Gestensteuerung erleichtert außerdem grundsätzlich die Kol- laboration von Mensch und Robo- ter. Sie arbeiten mittlerweile zwar schon oft ohne Schutzzaun neben- einander, aber eine direkte Inter- aktion war bisher nicht möglich. In unmittelbarer Nähe zu Menschen schalten sich Industrieroboter aus Sicherheitsgründen ab. Jetzt kön- nen beide gefahrlos direkt zusam- menarbeiten. Schwerpunkt „Cyber-Physical-Hu- man Systems“ am Standort Chem- nitz Produktionsroboter intuitiv mit Gesten zu steuern, ist ein Bei- spiel für die Innovationskraft des Standortes Chemnitz bei sog. „Cyber-Physical-Human Systems“ Mensch-Maschine-Systemen, kurz: CPHS). Das Fraunhofer IWU arbeitet dabei über die Grenzen wissenschaftlicher Fachdisziplinen hinweg intensiv mit der Professur für Allgemeine Psychologie und Human Factors an der Technischen Universität Chemnitz zusammen. Dort wird an der kognitionsbasier- ten Unterstützung von psychologi- schen Prozessen geforscht, sowie an deren Umsetzung in technische Systeme mittels Algorithmen der Künstlichen Intelligenz. Dr. habil. Franziska Bocklisch, Lei- terin der Professur, erklärt die ge- meinsamen Forschungsziele mit dem Fraunhofer IWU: „Die enge Interaktion von Mensch und Tech- nik in der Industrie 4.0 zeigt, wie wichtig es ist, Technik- und Human- wissenschaften zu kombinieren. Zukünftig werden viele weitere komplexe Aufgaben nur durch Mensch und Technik gemeinsam bewältigt werden können. Dabei stellen sich ganz neue Herausforde- rungen für eine menschenzentrier- te Technikentwicklung, etwa bei der zielgerichteten Unterstützung menschlicher Informationsverar- beitungsprozesse beim Bedienen und Warten von Produktionsan- lagen. In Chemnitz haben wir das nötige transdisziplinäre Know-how gebündelt, um sicherzustellen, dass Mensch und Roboter im Fer- tigungsprozess harmonisch zusam- menarbeiten können.“ Automobilproduktion bei Volkswagen in Zwickau: Berührungsfreie Gestensteuerung von Schwerlastrobotern im Anwendungstest Foto: Fraunhofer IWU So sieht der Roboter einen Menschen: Ein Forscher des Fraunhofer IWU demonstriert die industrielle Gesten- steuerung aus der Perspektive eines Roboters. Foto: Fraunhofer IWU SCHWEISSEN & SCHNEIDEN 2021 Impulsgeber für Wirtschaft Nach Monaten des pandemiebe- dingten Stillstands drängt die Branche auf die Wiederaufnah- me ihres Geschäftsbetriebs. Ei- nen zentralen Beitrag zur wirt- schaf tlichen Reak tiv ier ung leis te t die SCHWEISSEN & SCHNEIDEN. Die 20. Internatio- nale Fachmesse findet vom 13. bis 17. September 2021 in der Messe Essen statt. Während die Impfprogramme weltweit aus- gerollt werden und Experten ei- ne signifikante Impfquote für diesen Sommer prognostizieren, laufen die Vorbereitungen für die Industriemesse in Essen auf Hochtouren. Denn die Aussteller benötigen dringend eine Platt- form, um ihre Investitionsgüter am Markt zu präsentieren und so ihre Geschäfte zu beleben. Das erprobte Hygieneschutzkon- zept der Messe Essen bildet den Rahmen für die sichere Durch- führung. Ein eigenes Schnelltestzentrum direkt am Messegelände kann bei Bedarf hinzugeschaltet werden.

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