Fakuma 2018

•••3••• Interview Naturfaser-Composites für den Leichtbau DIEMESSE im Gespräch mit Dr. Christian Rytka, Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW Herr Dr. Rytka, Sie sind Gruppen- leiter Verfahrenstechnik am In- stitut für Kunststofftechnik der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Welche Themen bestim- men derzeit die Forschung an Ih- rem Institut? Ein Schwerpunkt unserer Entwick- lungen liegt auf Hochleistungs- Composites, die vor allem auf den Markt Leichtbau abzielen. Nach- haltigkeitsthemen wie Recycling, Biopolymere und Naturfasern gewinnen zunehmend an Bedeu- tung. Bei der Oberflächenfunktio- nalisierung und -strukturierung sind zum Beispiel die Medizinal- technik und die Optik von großer Bedeutung. Gemeinsam mit dem Institut für nanotechnische Kunststoff- anwendungen FHNW und dem Kunststoffausbildungszentrum Aarau KATZ entwickeln wir haupt- sächlich mit Schweizer Industrie- partnern Anwendungen, in denen das Design, das Verfahren und das Material optimiert und aufeinan- der abgestimmt werden müssen. Fallweise werden dabei auch Oberflächen mittels Mikro- oder Nanostrukturierung oder chemisch/physikali- scher Modifizierung funktio- nalisiert. Durch kompetente Materialanalytik, Simulation und Berechnung sparen wir Zeit und Ressourcen. Auf der Fakuma rückt das In- stitut für Kunststofftechnik seine Kernkompetenz Na- turfaserverbundwerkstof- fe in den Fokus. Was ist das Besondere an diesen Werk- stoffen? Naturfasern sind nachwach- sende Rohstoffe mit einer positiven CO 2 -Bilanz, die sich nach Gebrauch relativ schnell abbauen. Aufgrund Ihrer geringen Dichte und guten Mechanik weisen Na- turfaser-Composites und hier ins- besondere Flachsfaserprodukte, wie sie von der Firma Bcomp an- geboten werden, eine gute spe- zifische Festigkeit und Steifigkeit auf. Die von Bcomp entwickelten powerRibs stellen durch ihre git- terartige Struktur eine Revoluti- on in der „Composite-Welt“ dar. Durch imprägnierte Flachsgarne entsteht eine Verrippung, welche nicht nur zu einer bis zu 200 Pro- zent höheren spezifischen Steifig- keit, sondern auch zu erheblich verbesserten Dämpfungs- eigenschaften des Bauteils führt. Für welche Einsatzzwecke eignen sich Naturfasercom- posites besonders? Überall dort, wo auf High- performance-Leichtbau in Kombination mit Nachhal- tigkeit Wert gelegt wird. Das mögliche Anwendungs- spektrum der Technologie von Bcomp im Speziellen er- streckt sich über viele Berei- che. In der Motorsportserie Electric GT Championship werden Karosserieteile be- reits mithilfe von powerRibs versteift. Die Bauteile haben da- bei das gleiche Gewicht und die gleiche Performance wie Kohle- faser-Bauteile bei einer 30 Pro- zent besseren Kosteneffizienz. Das Institut für Kunststofftechnik FHNW arbeitet daran, das Matrix- system für powerRibs zu optimie- ren, den Imprägnierungsgrad zu erhöhen und damit die Gesamt- performance des Verbundwerk- stoffs zu verbessern. Zunehmend verschmilzt die Composite-Welt mit der klassischen Kunststoff- technik, indem das Leichtbaupo- tenzial von Composite-Materialien und die Wirtschaftlichkeit zur Fer- tigung von komplexen Bauteilen mittels Spritzguss miteinander vereint werden. Darüber hinaus zeigt das Institut neue Entwicklungen aus dem Be- reich Lasersintern. Was steckt hin- ter diesem Verfahren? Beim Lasersintern (LS) wird Pul- ver, häufig PA12, schichtweise mit einem Laser angeschmolzen, sodass sich die einzelnen Kunst- stoffteilchen miteinander verbin- den. Der Drucker dazu wurde vom FHNW-Spin-off Sintratec entwi- ckelt. Das Spezielle beim Sintra- tec-Drucker ist die Verwendung eines Diodenlasers, wodurch der Drucker deutlich günstiger gefer- tigt werden kann. Seit Kurzem hat Sintratec zum bestehenden hochfesten PA12 ein flexibles TPE- Material auf den Markt gebracht. Wir unterstützen die junge Firma bei Materialanalysen und bei der Maschinenoptimierung. In Zu- kunft werden wir an der FHNW neue LS-Materialien entwickeln und bestehende optimieren. Welche speziellen Werkstücke las- sen sich damit herstellen? Mit dem LS-Verfahren können Werkstücke gedruckt werden, die auf keine andere Art und Wei- se herstellbar sind. Grundsätzlich können komplexe dreidimensio- nale Bauteile mit einem hohen konstruktiven Freiheitsgrad, zum Beispiel Teile mit Hinterschnitten, Aussparungen oder bewegliche Teile, gefertigt werden. Diese Bauteile weisen darüber hinaus sehr gute Gebrauchseigenschaf- ten wie zum Beispiel hohe mecha- nische Stabilität oder elastische Verformbarkeit auf, sodass diese auch für Tests während der Ent- wicklungsphase genutzt werden können. Eine „Revolution in der Compo- site-Welt“ stellt die Fachhoch- schule Nordwestschweiz FHNW auf der Fakuma vor: Welchen Beitrag Naturfaser-Composites für den Leichtbau leisten kön- nen und was das Institut für Kunststofftechnik darüber hi- naus in Friedrichshafen zeigt, erläutert Dr. Christian Rytka im Gespräch mit DIEMESSE . Dr. Christian Rytka, Gruppenleiter Verfahrenstechnik am Institut für Kunststofftechnik, Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW Foto: FHNW Fortsetzung auf Seite 4 Verstärktes und hinterspritztes Naturfaserleichtbau- element Foto: FHNW

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