Fakuma 2017

••• 10••• Interview Geeignet für optimiertes Linsendesign DIEMESSE im Gespräch mit Malte Röbig, Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) Herr Röbig, das Institut für Kunst- stoffverarbeitung (IKV) stellt zu- sammen mit dem Fraunhofer-Ins- titut für Produktionstechnologie (IPT) auf der Fakuma in Halle B4 am Stand 4404 mikrostrukturierte Linsen aus Flüssigsilikonkautschuk (LSR) vor. Was ist das Besondere an diesemMaterial? Materialentwicklungen haben erst in den letzten Jahren zu hoch- transparenten Flüssigsilikonkaut- schuken (LSR) geführt. LSR ist im Spritzgießverfahren verarbeitbar, sodass sich hinsichtlich der De- signfreiheit und Wirtschaftlich- keit mindestens die gleichen Vor- teile wie bei thermoplastischen Werkstoffen ergeben. Die Verar- beitungseigenschaften von Flüs- sigsilikonkautschuk (LSR) unter- scheiden sich jedoch deutlich von denen thermoplastischer Werk- stoffe. Im Gegensatz zu Thermo- plastformmassen liegt LSR als Zwei-Komponenten-System vor und härtet nach einer Mischung durch eine in der Regel thermisch aktivierte Vernetzungsreaktion im Werkzeug aus. Filigrane Ele- mente, wie Mikrostrukturen, können aufgrund der niedrigen Verarbeitungsviskosität direkt im Spritzgießprozess mit hoher Ge- nauigkeit abgeformt werden. Mit thermoplastischen Werkstoffen ist hingegen eine Abformung von Mikrostrukturen häufig nur mit einer aufwendigen dynamischen Werkzeugtemperierung möglich. Bei Werkzeugtemperaturen von 150 °C oder mehr expandiert das LSR gleichmäßig. Gepaart mit ei- ner Kaltkanaltechnolgie können komplexe Bauteile mit Wanddi- ckensprüngen nahezu eigenspan- nungs- und einfallstellenfrei hergestellt werden. Insbe- sondere für optische Bau- teile sind diese Vorteile es- senziell. Für welche Einsatzzwecke ist Flüssigsilikonkautschuk be- sonders interessant? Es existieren bereits zahlrei- che Anwendungen aus opti- schem LSR, bei denen die Ei- genschaften von LSR gezielt genutzt werden. Vorteile besitzen optische LSR-Typen beispielsweise aufgrund ih- rer hohen Beständigkeit ge- genüber Temperatur- und Umwelteinflüssen. Die hohe Stabilität gegenüber UV- und Blaulicht machen den Werk- stoff für Primär- und Sekundärlin- sen in LED-Beleuchtungsanwen- dungen besonders interessant. Den hohen mechanischen, thermischen und optischen Anforderungen in der Nähe des Halbleiterchips kön- nen thermoplastische Kunststoffe, aber auch Harzsysteme wie Epoxid- harz nicht genügen. Welche neuen Designkonzepte las- sen sich damit umsetzen? Im Gegensatz zu optischen Ther- moplasten und Gläsern sind Flüs- sigsilikonkautschuke hochfle- xibel. Damit können neuartige Designkonzepte realisiert wer- den, welche die Flexibilität der Optiken gezielt ausnutzen. Es werden Ansätze verfolgt, durch eine definierte Ver- formung optischer Elemen- te aus LSR unterschiedliche Lichtverteilungen zu erzeu- gen. Die Flexibilität und Elastizität des Materials er- möglicht auch eine Entfor- mung von leichten Hinter- schnitten. Darüber hinaus können auch starke Wanddickensprünge problemlos realisiert wer- den. So können mit LSR op- timierte Linsendesigns rea- lisiert werden, welche mit konventionellen Werkstof- fen nicht oder nur mit gro- ßem Aufwand möglich sind. Welche weiteren neuen Entwick- lungen zum Spritzgießen optischer Komponenten zeigen Sie in Fried- richshafen? Neben dem Einsatz von Flüssigsi- likonen wird auch die Spritzgieß- verarbeitung thermoplastischer Werkstoffe thematisiert. Dazu zählt beispielsweise das Multilayer- Verfahren, bei welchem eine dick- wandige thermoplastische Optik in mehreren Schichten im Spritz- gießverfahren hergestellt wird. Da die Kühlzeit bei spritzgegossenen Kunststoffbauteilen quadratisch mit der Wanddicke zunimmt, ist dabei die Summe der Kühlzeiten der einzelnen Schichten geringer als die Kühlzeit bei konventionell einschichtig hergestellten Optiken. Die Wirtschaftlichkeit kann folglich durch einen mehrschichtigen Auf- bau deutlich gesteigert werden kann. Weitere Vorteile sind ein geringeres Schwindungspoten- zial der einzelnen Schichten sowie eine geringere Verweilzeit in der Plastifiziereinheit. Am IKV wurden im Rahmen eines kürzlich abge- schlossenen Forschungsprojekts die Schichtdickenverteilung und die Werkzeugtemperierung opti- miert, um die Wirtschaftlichkeit und Qualität der mehrschichtigen Linsen weiter zu steigern. Welchen Stellenwert hat die Fa- kuma für Ihr Institut und für die Kunststoff-Branche insgesamt? Angefangen vom Materialherstel- ler über Hersteller von Spritzgieß- maschinen und Peripheriegeräten bis hin zu Werkzeugbauern und Verarbeitern ist die gesamte Wert- schöpfungskette auf der Fakuma vertreten. Das IKV befasst sich seit Jahrzehnten mit der grundla- gen- und anwendungsorientierten Forschung im Bereich des Spritz- gießens, der Spritzgießwerkzeug- technik und der Spritzgießsonder- verfahren. Für das IKV besitzt die Messe daher einen überaus hohen Stellenwert. In einer vergleichs- weise familiären Atmosphäre bietet die Fakuma einen Spritz- gießbranchentreff zur fachlichen Diskussion über zukunftsträchtige Technologien. Nicht zuletzt aufgrund der ört- lichen Nähe zu Österreich, der Schweiz und Italien wird die Messe immer attraktiver für ein internationales Publikum. Insbe- sondere für Unternehmen der Spritzgießbranche ist die Fakuma eine der weltweit führenden Mes- sen und stellt einen wichtigen An- laufpunkt dar. Mikrostrukturierte Linsen aus Flüssigsilikonkautschuk (LSR) stellt das Institut für Kunststoff- verarbeitung (IKV) in Halle B4 am Stand 4404 vor. Welche Be- sonderheiten das Material auf- weist, für welche Einsatzzwecke es sich besonders eignet und welche neuen Design-Optionen sich damit eröffnen, erläutert IKV-Forscher Malte Röbig im Ge- spräch mit DIEMESSE . Malte Röbig, Gruppenleiter Ver- fahrenstechnik, Optische Kompo- nenten, Institut für Kunststoffver- arbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen Foto: IKV Essenzielle Vorteile Mehrschichtig Mitarbeiter des IKV erklären Dr. Günther Horzetzky, Staatssekretär imMinisterium für Wirt- schaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen, auf der Fakuma 2015 das Spritzgießen von Freiformoptiken. Foto: IKV

RkJQdWJsaXNoZXIy NjM5MzU=