FRUIT_LOGISTICA_2018_s01-s12

•••2••• Innovationen Smarter Spion beim Obst-Transport Ein Apfel in Camouage: Schweizer Forscher entwickeln neuen Sensor für Frucht-Logistik Bislang messen Sensoren zwar die Lufttemperatur im Frachtcon- tainer, ausschlaggebend für die Qualität des Obstes ist allerdings die Kerntemperatur der einzelnen Frucht. Die lässt sich bis dato aber nur „invasiv“ messen, also indem man mit einem Messfühler durch die Schale in den Kern sticht. Und selbst dieses Verfahren birgt Tü- cken. Für die Messung nimmt der Fachmann meist eine Frucht aus einem Karton der vorderen Palet- tenreihe im Container – das wie- derum verfälscht den Eindruck. Früchte, die näher an den Außen- wänden des Transportcontainers lagern, sind nämlich besser ge- kühlt als Früchte im Inneren. Sensor auf Reisen Es ist also dringend nötig nach- zuweisen, dass die Kühlung über den erforderlichen Zeitraum auch tatsächlich bis zu allen Früchten in der gesamten Ladung durchge- drungen ist. Um genau das zu ge- währleisten und zu überwachen, haben Forscher der Empa nun ei- nen Fruchtsensor entwickelt. Er besitzt Form und Größe der jewei- ligen Frucht und deren simulierte Zusammensetzung und kann zu- sammen mit den echten Früch- ten verpackt und auf die Reise ge- schickt werden. Nach der Ankunft am Zielort können die Daten des Sensors dann relativ einfach und schnell analysiert werden. Daraus erhoffen sich die Wissenschaft- ler Aufschlüsse über den Tempe- raturverlauf während des Trans- ports. Diese Information ist vor allem auch aus versicherungstech- nischen Gründen wichtig. Sollte nämlich eine Lieferung nicht den Qualitätsansprüchen ge- nügen, lässt sich mithilfe des Sen- sors beispielsweise eruieren, an welcher Stelle in der Lagerungs- und Transportkette etwas schief- gelaufen ist. Erste Resultate sind auf jeden Fall vielversprechend: „Wir haben die Sensoren in der Empa-Kältekammer auf Herz und Nieren analysiert, und alle Test waren erfolgreich“, erklärt Pro- jektleiter Thijs Defraeye aus der Abteilung „Multiscale Studies in Building Physics“. Geröntgtes Obst Ein und derselbe Sensor funk- tioniert allerdings nicht für alle Früchte, erklärt Defraeye. „Wir entwickeln für jede Frucht einen eigenen Sensor, sogar für Unter- arten.“ So gibt es zurzeit sepa- rate Sensoren für die Apfelsorte Braeburn und Jonagold, die Kent- Mango, für Orangen sowie für die klassische Cavendish-Banane. Um die Eigenschaften der einzel- nen Fruchtsorten nachbilden zu können, wird das Obst geröntgt, und ein Computeralgorithmus erstellt daraus die durchschnittli- che Form und Beschaffenheit der Frucht. Aus der Literatur oder aus eigenen Messungen bestimmen die Forscher dann die genaue Zu- sammensetzung des Fruchtflei- sches (meist eine Kombination aus Wasser, Luft und Zucker) und bilden diese im Labor im exakten Verhältnis nach – allerdings nicht mit den Originalzutaten, sondern aus einem Mix aus Wasser, Koh- lenhydraten und Polystyrol. Mit diesem Gemisch wird die frucht- förmige Schalung des Sensors befüllt. Die Schalungen entstehen dabei im 3D-Drucker. Im Inneren dieser künstlichen Frucht platzie- ren die Forschenden den eigentli- chen Sensor, der die Daten – unter anderem die Kerntemperatur der Frucht – aufzeichnet. Füllungmit deutlich exakteren Daten Zum Vergleich: Bisherige Messge- räte an den Containerwänden lie- fern nur die Lufttemperatur, was allerdings nicht ausreicht, denn die Frucht kann im Innern trotz- dem zu warm sein. Zwar gibt es solche Fruchtkernsimulatoren be- reits im Forschungsumfeld, doch sie seien noch nicht akkurat ge- nug, erklärt Defraeye. Beispiels- weise kämen bereits mit Wasser gefüllte Kugeln mit Sensor im Inneren zum Einsatz. „Wir haben Vergleichstests gemacht“, so der Forscher. „Und unsere Füllung lie- ferte deutlich exaktere Daten und simulierte das Verhalten einer echten Frucht bei unterschiedli- chen Temperaturen weitaus zu- verlässiger.“ Erste Feldversuche mit den Senso- ren laufen bereits und die Schwei- zer Forscher sind nun auf der Suche nach möglichen Industrie- partnern, um die Frucht-Spione herzustellen. Bisher wurden die Früchte aufgeschnitten und in de- ren Inneren ein Sensor platziert. Anschließend wird die Frucht behelfsmäßig zugeklebt. Die Beschädigung allerdings verfälscht die Resultate. Foto: Empa Der Sensor sieht aus wie eine Frucht, verhält sich wie eine Frucht – ist in Wahrheit aber ein Spion. Foto: Empa Fortsetzung von Seite 1

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