WindEnergy 2018

•••3••• Interview Die technischen Herausforderun- gen liegen in einer sicheren Um- setzung dieser Potenziale. Wir untersuchen in unseren Projek- ten die statischen sowie dynami- schen Schwimmstabilitäten der Anlagen und Möglichkeiten zur Kostenreduktion durch leichtere Strukturen oder Einsatz alterna- tiver Materialien oder Material- kombinationen wie hochfester bewehrter Beton anstatt Stahl. Ein wichtiger Punkt ist auch die Verbesserung von Simulations- modellen für das Gesamtsystem, beginnend an der Blattspitze der WEA bis hin zur Verankerung der Unterstruktur mit Abspannele- menten amMeeresgrund. Es han- delt sich um ein sehr vielschichti- ges System, bei dem durch Wind und Wellen die komplexe Dyna- mik der schwimmenden Unter- struktur angeregt wird. Das muss man möglichst gut im Griff haben, um Komponenten lastgerecht auslegen zu können. Dazu werden auch Experimente in Wellentanks durchgeführt, mit denen man die Simulationsmodelle quasi kalibrie- ren kann. Bei diesem Forschungsvorhaben kooperieren Sie mit Partnern aus dem In- und Ausland. Wo sehen Sie die spezifischen Einsatzmöglichkei- ten für Ihre Forschungsergebnisse? Die Technologien, an denen wir arbeiten, stoßen tatsächlich welt- weit auf großes Interesse. Wir arbeiten dazu mit Industriefirmen und auch im engen Verbund mit Ingenieurgesellschaften zusam- men. Unter anderem wurde vor Kurzem ein Kooperationsprojekt mit der Firma EEW SPC GmbH im Bereich Offshore-Wind gestartet. Das Projekt wird aus dem euro- päischen Fonds für regionale Ent- wicklung (EFRE) der Europäischen Union unter Verwaltung des Mi- nisteriums für Wirtschaft, Bau und Tourismus des Landes Meck- lenburg-Vorpommern gefördert (FK: TBI-V-1-277-VBW-097). Auch Forschung auf EU-Ebene wird im Rahmen des Projekts Space@Sea (Forschungs- und In- novationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union unter der Fördervereinbarungsnr. 774253) umgesetzt. Für die Mitwirkung an diesem Projekt wurde mein Lehr- stuhl auf Basis seiner Erfahrung explizit angesprochen. Darüber hinaus forschen Sie an ei- nem Projekt zum Wissenstransfer nach Vietnam. Worum handelt es sich da genau und mit wem koope- rieren Sie? In diesem Projekt kooperierten wir mit verschiedenen deutschen Firmen der Windbranche (GICON, eabnewenergy, awinco). Es ging um eine robuste und kostengüns- tige mittelgroße Windenergiean- lage, die mit deutscher Technolo- gie in Vietnam produziert werden sollte. In Vietnam und auch ande- ren Ländern Südostasiens gibt es dafür großen Bedarf. Die Wind- industrie bietet geeignete Anla- gen nicht an. Entsprechend groß war die Resonanz von vietnamesi- scher Seite. Es gab eine Reihe von vietnamesischen Industriefirmen und Forschungseinrichtungen, die im Projekt mitarbeiten wollten. Wir haben dazu bis dato ein soge- nanntes Definitionsprojekt durch- geführt, in dem Kontakte aufge- baut und eine detaillierte Planung ausgearbeitet wurde. Das Projekt selbst kann nicht ohne zusätzliche Förderung durchgeführt werden, weswegen wir nun gemeinsam mit den deutschen Partner nach Fördermöglichkeiten für das De- sign sowie die Errichtung der Pi- lotanlage suchen. Hat dieses Projekt aus Ihrer Sicht Modellcharakter für andere Län- der? Selbst Länder wie Saudi-Ara- bien, die über ausreichend fossile Energieträger verfügen, interessie- ren sich für Windenergie. Völlig richtig, durch zuverlässige- re und kostengünstigere Technik stößt die Nutzung der Windener- gie weltweit auf zunehmendes Interesse. Grund dafür ist ja nicht der Mangel an fossilen Energie- trägern, sondern die dringend notwendige Reduktion von CO 2 . So arbeiten wir im Moment an vergleichbaren Projektideen für Tunesien und andere afrikanische Länder. Ihr Lehrstuhl ist auch an einem Verbundprojekt zur Netzstabilität beteiligt, zusammen mit der Uni- versität Greifswald und der Fach- hochschule Stralsund. Sie suchen gemeinsam nach Lösungen, die elektrischen Versorgungsnetze bei zunehmender Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie zu sta- bilisieren. Welche Aufgabe haben Sie dabei genau und liegen schon erste Ergebnisse vor? Mit einem höheren Anteil an re- generativen Erzeugern müssen selbstverständlich auch WEA und PV-Kraftwerke ihren Beitrag zur Stabilisierung der Versorgungs- netze leisten. Im Projekt Netz- stabil werden technische, ökono- mische und rechtliche Aspekte in diesem Zusammenhang genau un- ter die Lupe genommen und neue Konzepte entwickelt. Wir sind für die Rückwirkung der Netzstabili- sierung auf die WEA zuständig. Dazu erstellen wir Modelle mit einer sehr genauen Darstellung des Energieerzeugungssystems, das bei heutigen WEA aus Gene- rator und Umrichter besteht. Mit dem Umrichter ist es möglich, auf Schwankungen des Netzes ein- zuwirken. Durch solche Aktionen kann – vereinfacht gesagt – auch der Turm etwas zu schwanken beginnen. Solche Rückwirkungen wollen wir im Simulationsmodell darstellen. Das Projekt läuft seit einem Jahr. Wir haben unser Mo- dell bereits erstellt, sind gerade bei Tests und wollen im Weiteren die Stabilisierungsverfahren un- tersuchen. Messebesucher drücken ja gerne selbst auf Knöpfe, um neue Tech- nologien auszuprobieren. Welche Eindrücke kann man von Ihrem Stand mitnehmen? Leider haben wir keinen eigenen Stand auf der Messe. Wir sind Lo- gopartner beim Gemeinschafts- stand des Wind Energy Networks, einem Zusammenschluss von Windenergiefirmen vorwiegend aus Mecklenburg-Vorpommern. Mit auf dem Stand sind auch die Firmen GICONund Windrad Engi- neering, mit denen wir – wie teil- weise schon erwähnt – eng zu- sammenarbeiten. So ist auf dem Stand ein Modell einer WEA auf einer schwimmenden Unterstruk- tur inklusive Gründung zu sehen. Außerdem werden wir in Slide- shows und Videos über unsere Experimente berichten. Die WindEnergy Hamburg gilt als Leistungsschau der Branche. Auf welche Innovationen sind Sie in diesem Jahr besonders gespannt? Mich interessieren besonders neue Entwicklungen bei der Tech- nik der WEA. Es gibt einige neue Typen von WEA für den Onsho- re- und Offshore-Einsatz. Nordex zeigt die neue Delta4000-Platt- form, von der unlängst ein Proto- typ errichtet wurde. Das werde ich mir im Detail ansehen. Wirk- liche Innovationen gibt es oft bei kleineren Firmen. Da lasse ich mich überraschen. Daneben werde ich mich dieses Jahr auch besonders zu Messtechnik infor- mieren. Ich möchte für den Lehr- stuhl ein LiDAR-System zur Wind- messung anschaffen. Ich werde schauen, was in diesem Bereich angeboten wird. Modell der schwimmenden Unterstruktur mit WEA bei Versuchen im Wind-Wellen-Becken des französischen Forschungszentrums LHEEA in Nantes Foto: Universität Rostock / Daniel Walia Visualisierung der gesamten Offshore-WEA mit Schwerkraft- anker und schwimmender Unterstruktur Foto: Universität Rostock / Frank Adam Kooperationen mit Industriepartnern Stabilisierung der Versorgungsnetze

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