REHACARE 2017

•••3••• Innovationen Interview „Light Cares“: Einladung zumMitmachen DIEMESSE im Gespräch mit Dr. Frank Schlie, Photonik-Experte im Bundesforschungsministerium Welche neuen Möglichkeiten eröff- nen sich mittels Laserscanner, La- sercutter, 3D-Drucker & Co. bei der Herstellung von Hilfsmitteln? Diese „photonischen“ Verfah- ren – also Verfahren, die Licht als Werkzeug nutzen – wie La- serscanner, Lasercutter und 3D- Druck sind heute viel leichter zugänglich. Sie werden ja von Ex- perten in Forschungsinstituten und Unternehmen schon lange genutzt. Inzwischen gibt es aber eben auch preiswer- tere Varianten, die zudem dank vereinfachter Bedien- konzepte und verbesserter Software sehr leicht nutz- bar sind. Mit ein bisschen Übung kann also fast jeder heute damit arbeiten, da- heim oder in offenen Werk- stätten wie FabLabs, Maker- oder Coworking-Spaces. Die „Light Cares“-Projekte sind Open Source – die Bau- pläne und 3D-Modelle stehen im Internet frei zur Verfü- gung. Was erhoffen Sie sich von diesem Ansatz? Es ist eine Einladung zum Mitmachen. Open Innovation steht für die Öffnung des Innova- tionsprozesses: Es muss sich nicht mehr alles in einer Firma abspie- len, sondern man kann Lieferan- ten, Kunden, Nutzer direkt be- teiligen. Und Open Source heißt: Jeder kann die Daten nutzen und die Projekte auch individuell für sich anpassen. Das Tolle daran ist also, dass Bürgerinnen und Bürger – und im vorliegenden Fall eben auch Menschen mit Behinderung – nicht mehr nur Konsumenten sind, die ein fertiges Produkt nut- zen, sondern selbst aktiv werden können, wenn sie das wollen. Die Gewinnerprojekte des „Light Cares“-Wettbewerbs sind auf der Rehacare zu sehen. Was erwartet die Messebesucher in Halle 4 am Stand G03? Au f unserem Gemein - schaftsstand G03 in Halle 4 erhält der Messebesu- cher einen Überblick über die Projekte, kann erste Ergebnisse und Lösungen anfassen und mit den Pro- jektpartnern reden. Die Pro- jekte decken ein sehr brei- tes Anwendungsspektrum ab, von Sehhilfen über Roll- stuhl-Add-ons bis hin zu DIY- Prothesen und vieles mehr. Alle Projektergebnisse kön- nen am Stand ausgiebig ge- testet werden. Zudem wird es einen kleinen Werkstattbereich mit 3D- Druckern geben. Was ist hier geplant? In demWerkstattbereich wird ge- zeigt, wie einfach Ergebnisse aus den Projekten genutzt und auch individuell angepasst werden kön- nen. Wie gesagt: Es ist eine Einla- dung zum Mitmachen. Wir hof- fen, dass davon reger Gebrauch gemacht wird! Ein Blick voraus: Wie geht es nach der Rehacare mit den Projekten weiter? Acht der zehn Projekte sind noch nicht abgeschlossen, die For- schungsarbeiten laufen hier nach der Rehacare sicher mit Hoch- druck weiter, vielleicht sogar mit neuen Partnern aus dem Kreis der Messebesucher. Bedingt durch den Open-Source-Ansatz müssen die Projekte ja auch nicht mit dem Projektende aufhören. Sie leben weiter, indem andere die Ergeb- nisse nutzen und weiterentwi- ckeln. Wir sind gespannt darauf und wollen für künftige Projekte daraus lernen. Kreative Hilfsmittel Marke Ei- genbau stehen im Mittelpunkt des Wettbewerbs „Light Cares“, initiiert vom Bundesforschungs- ministerium. Auf der Rehacare präsentieren sich die Gewin- nerprojekte in Halle 4 am Stand G03. DIEMESSE sprach mit Dr. Frank Schlie über die Details. MinR Dr. Frank Schlie, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Referatsleitung Referat Quantentechnologien; Photonik Foto: VDI Technologiezentrum GmbH / Frank Nürnberger Assistenzsystem für manuelle Werkstatt-Arbeitsplätze mittels optischer 3D-Sensorik Foto: Fraunhofer IPA / Rainer Bez Passgenaue Orthesen für Kinder und Jugendliche aus Bayern Forscher der Hochschule München gewinnen Förderinitiative „Light Cares“ des BMBF dank digitaler Verfahren aus der Photonik Wissenschaftler der Hochschule München (HM) wollen individuell anpassbare Bausätze für aktive Kinder-Orthesen entwickeln, die kostengünstig sind und durch Ska- lierbarkeit mitwachsen. Das For- schungs- und Entwicklungspro- jekt „APROACH“ hat im Juli 2017 den Zuschlag bei der Förderinitia- tive „Light Cares“ des BMBF be- kommen und soll bis Ende 2018 laufen. Das Fördervolumen be- trägt 120000 Euro. Kinder oder Jugendliche mit ent- zündlichen Gelenkerkrankungen oder neurologischen Defiziten vermeiden oft das Laufen, wenn es für sie mit Schmerzen verbun- den ist. Dadurch kann es für sie je- doch zu Entwicklungsverzögerun- gen kommen. Eine Möglichkeit, das Laufen zu unterstützen, sind aktive Orthesen für die Beine. Projektpartner Prof. Dr. Ulrich Wagner und Prof. Dr. med. Herbert Plischke, Pro- fessoren an der Fakultät für an- wandte Naturwissenschaften und Mechatronik der HM, arbeiten in „APROACH“ mit Projektpartnern aus dem klinischen Bereich und der Industrie zusammen. Und sie nutzen das Wissen und die Techni- ken der „Maker“, einer Bewegung technischer Bastler, die heute be- reits digitale photonische Ferti- gungsverfahren wie 3D-Druck oder Lasercutting pragmatisch und kreativ demokratisieren. Orthesen, die mitwachsen Zwar sind aktive Orthesen be- reits länger bekannt, dennoch erschließt das Projekt gleich zwei bislang nicht abgedeckte Berei- che: kostengünstige Lösungen und durch Skalierbarkeit mitwach- sende Modelle für Kinder. Mit Unterstützung der klinischen Partner werden zunächst die biometrischen Parameter be- troffener Kinder an freiwilligen Probanden erhoben. Aus den spe- zifischen Daten wird per CAD eine individuelle und später einfach zu modifizierende Vorlage für die aktive Orthese konstruiert. Die Fertigung erfolgt durch Laser-Sin- tering, unterstützt durch das Wis- sen des Industriepartners. Open-Source-Zugriff Der aktive Teil der Orthesen – Sensoren, Aktoren und Energie- versorgung – wird mit Lösungen der „Maker“-Bewegung entwi- ckelt. Die Wirksamkeit der Orthe- se wird zusammen mit den klini- schen Partnern optimiert. Die individuellen Vorlagen für die Orthesen können den Eltern der Kinder bei entsprechender Ex- pertise sogar als frei zugänglicher Datensatz in einer Open-Source- Plattform zur Verfügung gestellt werden. So könnten sie eine indi- viduell angepasste aktive Orthese für ihr Kind mit entwerfen und über einen Hersteller für Medi- zinprodukte als dokumentierten Bausatz bestellen. Ziel der Stu- die soll auch die Machbarkeit ei- ner Kombination von modernen, kostengünstigen 3D Verfahren, Open-Source-Technologien und der Bereitstellung der Orthesen im Rahmen des deutschen Medi- zinproduktegesetzes sein. „Made for my Wheelchair“: Do-it-yourself-Beleuchtung für elektrische Rollstühle Foto: be able e. V. / Jonas Schubert

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