K 2019 Ausgabe 2

•••3••• Interview „PHA-Herstellung ist klimaneutral“ DIEMESSE im Gespräch mit Dr.-Ing. Sebastian L. Riedel,Technische Universität Berlin Welche regenerativen Rohstoffe können denn verwendet werden, damit der daraus resultierende Kunststoff am Ende der Prozess- kette nachhaltiger ist? Wir können eine Vielfalt von bio- genen Reststoffen wie tierische Abfallfette, pflanzliches Frittier- fett oder kurzkettige Fettsäuren nach einer speziellen Vergärung von Lebensmittelabfällen in einer Vorstufe zur Produktion von ver- schiedenen Polyhydroxyalkanoa- ten zur Herstellung einsetzen. Im Moment werden jährlich etwa zwei Millionen Tonnen Bioplastik produziert. Ist dieses Material wirklich voll- ständig abbaubar? Nein. Als Bioplastik werden alle Biopolymere bezeichnet, die entweder aus nachwach- senden Rohstoffen herge- stellt werden können oder biologisch abbaubar sind. Von den zwei Millionen Ton- nen Bioplastik zählt circa nur die Hälfte zu den biologisch abbaubaren Biopolymeren. So basiert PET30 zu 30 Pro- zent auf Bioethanol, ist aber wie erdölbasiertes PET nicht biologisch abbaubar. Bei der anderen 1 Million Tonnen biolo- gisch abbaubarer Polymere gilt: Biologisch abbaubar ist nicht gleich biologisch abbaubar. Einige Poly- mere wie die Polymilchsäure (PLA) brauchen spezielle Bedingungen zum kompletten biologischen Ab- bau, die in der Regel nur im Indus- triekompost erreicht werden. Und auch da können PLA-Produkte für Probleme sorgen, wenn die Ver- weildauer zu kurz ist. Wir arbeiten hingegen an der Herstellung von Polyhydroxyalkanoaten, einem natürlichen Polyester und Speicherstoff von vielen Bakterien, die in der Natur wie zum Beispiel im Boden oder Meer vollständig zu CO 2 und Wasser abgebaut wer- den können. Zurzeit liegt die Jahresproduktion nur bei 50 000 t PHA, was Zurzeit auf die hohen Herstellungs- kosten im Vergleich zu erdöl- basiertem Plastik zurückzu- führen ist. Sie suchten mit Ihren Kolle- gen nach einem alternativen Ausgangsstoff, der das Klima nicht belastet und kein Nahrungs- oder Futtermittel ist, und sind auf Abfallfette gestoßen. Wie sind Sie darauf gekommen und wie wird daraus Bioplastik? In erster Linie waren wir auf der Suche nach einem möglichst kos- tengünstigen Ausgangsstoff, um die noch recht hohen Kosten für die PHA-Produktion senken zu können. Auch wollten wir eine Dis- kussion Plastik versus Nahrungs- mittel vermeiden, wie sie vielfach bei der Herstellung von Biokraft- stoffen auftritt. Es ist richtig, dass die PHA-Herstellung klimaneutral oder sogar negativ in der CO 2 -Bi- lanz sein kann, das kann aber nur erreicht werden, wenn im industri- ellen Maßstab auf allen Ebenen kli- maneutral gearbeitet wird. Stich- wort: Transportwege. Bioplastik wird aus den Abfallfetten gewon- nen, indem Bakterien das Abfall- fett als Kohlenstoffquelle verwen- den und als Speicherstoff in Form des Polyesters PHA speichern. Wir steuern diesen Vorgang in Biore- aktoren und legen die Bedingun- gen so aus, dass die Bakterien bis zu 100 g/L PHA produzieren. Nach der Kultivierung im Bioreaktor muss das PHA noch aus den Zellen isoliert werden. Dies kann auf ver- schiedenen Wegen, wie zum Bei- spiel der Extraktion mit halogen- freien Lösungsmitteln, geschehen. Danach kann das PHA-Material direkt oder nach einer Compound- ierung mit Additiven oder anderen Materialien in Prozessen wie dem Spritzguss, der Folienherstellung oder dem 3-D-Druck eingesetzt werden, um zum Beispiel Einweg- besteck, Strohhalme, Folien für die Lebensmittel- oder Agrarwirt- schaft herzustellen oder Mikro- plastik in Kosmetika zu ersetzen. Ist das Verfahren die Lösung, um 100-prozentig abbaubares Bioplas- tik für die Zukunft zu produzieren? Ja, mit unserem Verfahren kann PHA hergestellt werden, welches in der Natur komplett zu CO 2 und Wasser abgebaut werden kann. Bei der Herstellung von Bioplas- tikprodukten aus PHA muss dar- auf geachtet werden, dass durch die Compoundierung mit Addi- tiven die Bioabbaubarkeit nicht eingeschränkt wird oder toxische Bestandteile durch den Abbau in die Natur gelangen. Nach wie vor stellen fossile Res- sourcen die Basis für die Her- stellung von Kunststoffen dar. Eine Herausforderung für die Kunststoffindustrie ist es, voll- ständig biologisch abbaubare Polymermaterialien zu verwen- den. Wichtiger Ansatz ist die Nutzung regenerativer Rohstof- fe, obgleich auch diese Zutat nicht per se den daraus resul- tierenden Kunststoff am Ende der Prozesskette nachhaltiger macht. Wichtiger Ausgangs- stoff für Biopolymere sind Po- lyhydroxyalkanoate (PHA). PHA werden als Biokunststoff be- zeichnet, weil PHA ähnlich ther- moplastisch verformbar ist wie Kunststoff aus fossilen Rohstof- fen. Dr.-Ing. Sebastian L. Riedel, Gruppenleiter Bioprocess Scale- Up & -Down am Institut für Bio- technologie der Technischen Universität Berlin, sprach mit DIEMESSE über die neuesten Forschungsentwicklungen. Komplett abbaubar Dr. Ing. Sebastian L. Riedel Foto: TU Berlin Aus Abfallfett (links) wird Bioplastik. Foto: TU Berlin

RkJQdWJsaXNoZXIy NjM5MzU=