INTERSCHUTZ 2022

•••2••• Innovationen Jederzeit empfangsbereit Dank RFicient-Chip nachhaltig ins Internet der Dinge und untereinander Daten austauschen. Sowohl im privaten als auch im industriellen Bereich steigt die Anzahl solcher drahtlos vernetzten Geräte rapide an. Doch um ständig erreichbar zu sein, muss der Funkempfänger der Geräte dauerhaft eingeschaltet sein – was die Batterielebensdauer bei kleinen, batteriebetriebenen IoT-Knoten auf wenige Wochen begrenzt. Hundertfache Batterielaufzeit, prompte Reaktion Einen enormen Sprung nach vorne erlaubt der RFicient®-Chip des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS. „Mit unserem Chip können wir 99 Prozent des Stroms einsparen – eine Batterie, die mit herkömmlicher Technologie gut einen Monat schafft, hält dann zehn Jahre“, begeistert sich Dr. Frank Oehler. Dennoch, und das macht den Charme der Entwicklung aus, ist der Sensorknoten jederzeit empfangsbereit: Er braucht gerade mal 30 Millisekunden, um auf ein Signal mit einer Aktion zu reagieren. Während andere Wake-up-Receiver oft minutenlang ausgeschaltet sind und mitunter erst reagieren, wenn es zu spät ist, ist beim RFicient®-Chip eine umgehende Reaktion garantiert. Wichtig ist dies nicht nur bei zeitkritischen Anwendungen, sondern auch dort, wo viele Dienste gleichzeitig ablaufen oder viele einzelne Knoten abgefragt werden – etwa im Flughafen, im Bahnhof, im Fußballstadion. Für diese marktreife Entwicklung samt der Anmeldung von 16 Patentfamilien werden, stellvertretend für das gesamte Team, Dr. Frank Oehler, Dr. Heinrich Milosiu und Dr. Markus Eppel mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis ausgezeichnet. Neben der vollständigen Prozesskette von der Idee bis zur Umsetzung war es vor allem die besondere gesellschaftliche Relevanz, die die Jury überzeugte: Schließlich schießt die Anzahl der drahtlos vernetzten Geräte in die Höhe, samt dem damit verbundenen Energie- und Ressourcenverbrauch. Marktreif entwickelt Die RFicient®-Technologie wurde bereits von der ersten Idee zu einem kommerziell erhältlichen Standard-Chip entwickelt. Zudem sind mit dem US-amerikanischen Halbleiterhersteller Globalfoundries Inc., der RoodMicrotec GmbH und der EBV Elektronik GmbH & Co. KG schon entsprechende Industriepartner gewonnen. „Was die Industrie braucht, sind IoT-Empfänger, die immer erreichbar sind, schnell reagieren – und auch über lange Zeit hinweg wartungsfrei arbeiten. Mit den neuen Fraunhofer-Empfängern können wir das erstmalig liefern“, ist Thomas Staudinger, Präsident der EBV Elektronik GmbH, überzeugt. Dr. Oehler zeigt sich begeistert über das Industrie-Interesse: „Wir sind mit über 100 Anfragen aus verschiedenen Anwendungsbereichen befeuert worden: Unsere Kunden stehen bereits in den Startlöchern, um ihre neuen Produkte mit RFicient® auszustatten.“ Konservativ geschätzt werden in den nächsten Jahren über 50 Millionen IoT-Geräte von der RFicient®- Technologie profitieren. Mit ihrer Entwicklung haben die Forscher den Nerv der Zeit also gleich in zweifacher Hinsicht getroffen: Sie eröffnen dem Internet der Dinge einen enormen Spielraum und br ingen gleichzei t ig die Nachhaltigkeit voran. Die Gewinner des Joseph-von-Fraunhofer-Preises für den energiesparenden RFicient®-Chip: Dr. Heinrich Milosiu, Dr. Markus Eppel und Dr. Frank Oehler (v.l.n.r) Foto: Fraunhofer / Piotr Banczerowski Lokales initiales Krisenmanagement Fraunhofer FKIE startet das Projekt „lokik“ Kein Ereignis in den vergangenen Jahrzehnten hat die Menschen im Ahrtal und Teilen des Rhein-SiegKreises so umfassend und mit einer solchen Wucht getroffen wie die Flutkatastrophe im Juli 2021. Angesichts der Erfahrungen jenes verheerenden Hochwassers hat das Fraunhofer FKIE das Projekt „lokik“ gestartet: Ziel ist die Entwicklung einer Plattform, mit deren Hilfe in der Akutphase einer Katastrophe zügig ein unabhängiges Kommunikationsnetz und ein lokales Lagebild aufgebaut werden können. Die Initiative zu dem Projekt „lokik“, kurz für „Lokales initiales Krisenmanagement“, ging von FKIE-Mitarbeitenden aus, die selbst von der Flut betroffen waren. „Das Chaos gerade in den ersten Stunden und Tagen gab für uns den Ausschlag, hier etwas zu unternehmen“, so Dr. Michael Wunder, Leiter der Forschungsabteilung Informationstechnik für Führungssysteme (ITF) am FKIE. „Hinzu kam, dass unser Institut seit vielen Jahren Lösungen für hochkomplexe, dynamische und risikoreiche Entscheidungsprozesse auf dem Gebiet der Sicherheit und Verteidigung oder auch bei kritischen zivilen Infrastrukturen anbietet. Wir sind also fit bei der Entwicklung und dem Betrieb von Systemen, die bei Großschadenslagen zum Einsatz kommen.“ Kein Strom, kein Mobilfunk-Netz, zerstörte Straßen: In den ersten Tagen nach der Flut waren etliche Orte im Ahrtal komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Insbesondere der Ausfall der Kommunikationsnetze erschwerte es den Helfern, sich einen Überblick über die aktuelle Lage zu verschaffen und Einsätze zu koordinieren. In dem Projekt „lokik“ entwickeln die FKIE-Wissenschaftler eine Lösung aus Hard- und Software, die in der Akutphase einer Katastrophe unmittelbar den Informationsfluss sicherstellt und einen Überblick über die Lage liefert. Mit relativ günstiger, aber professioneller IT-Hardware lässt sich ein lokales Kommunikationsnetz aufspannen, über das alle WLANfähigen Endgeräte wie Smartphones und Tablets Zugriff erhalten. Diese Plattform wird autark und unabhängig vom Stromnetz betrieben, ist robust und leicht zu bedienen. Die Software von „lokik“ bietet unterschiedliche Ansichten für den Krisenstab, die Einwohner und Helfer vor Ort und ein Tool, um interaktiv Schadensmeldungen zu erfassen und Aufträge zu koordinieren. Rechner und Kommunikationskomponenten werden an einem sicheren Ort in der Gemeinde positioniert und im Katastrophenfall unabhängig von externer externer Technik mit einer eigenen Stromversorgung schnell in Betrieb genommen. Als Projektpartner unterstützen die von der Flut betroffene Gemeinde Mayschoß, die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Remagen und der Ortsbezirk Birresdorf aus der Gemeinde Grafschaft das Vorhaben. Neben FKIE-Mitarbeitenden haben sich auch zahlreiche Betroffene aus diesen Gemeinden in die Ausarbeitung der Projektidee eingebracht und begleiten die Umsetzung in den nächsten Monaten. Meterhoch trat die Ahr in der Nacht zum 15. Juli 2021 über die Ufer. Das Bild zeigt die zerstörte Nepomukbrücke bei Rech. Foto: Fraunhofer FKIE/Ralf-Michael Vetter Fortsetzung von Seite 1

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