Intec 2021

•••3••• Innovationen Fernwartung mit Fingerabdruck Datensicherheit für Maschinen und Produktionsanlagen Deswegen haben Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-In- stituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU dafür eine fälschungssichere Art der Da- tenspeicherung und -weitergabe entwickelt: Maschinenmessdaten erhalten einen Fingerbadruck, der sich nicht manipulieren lässt. Die zunehmende Digitalisierung von Maschinen und Produktions- anlagen macht diese nicht nur effizienter, sondern auch komple- xer. KMU haben beispielsweise oft weder das Personal noch das Know-how, um die Wartung der modernen Produktionsanlagen, die sie betreiben, selbst auszu- führen. Maschinen- und Anlagen- bauer bieten diesen Service an, stehen aber beim Personal vor demselben Problem. Die nahelie- gende Lösung: Fernwartungen. Zwar liegen die notwendigen Messdaten für eine Fernwartung bei den KMU vor, doch um die Datenintegrität zu gewährleisten und – gewollte oder ungewollte – Datenmanipulationen auszuschlie- ßen, arbeiten immer noch viele Wartungsdienstleister vor Ort in den Fabriken. Die KMU müssen warten und in dieser Zeit ihre Pro- duktion einschränken. Daten für Audits: Manipulation ausgeschlossen Bisher fehlte eine praktikable Lö- sung, Messdaten zu verschlüs- seln und Dritten dennoch für die Audits zur Verfügung zu stellen. Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler des Fraunhofer IWU haben daher im Rahmen des Forschungsprojektes „AUDIo“ (Auditlösung für Machine-Lear- ning-basierte, datengetriebene Dienstleistungen) eine IT-Architek- tur aufgebaut, um Fernwartungen und andere Services im Produkti- onsumfeld fälschungssicher an- bieten zu können. Dabei werden die Prozess- oder Produktdaten verschlüsselt und auf Netzwerk- knoten (Datenspeicher) abgelegt. Wer die Daten dann nutzen will, kann mit einer entsprechenden Zugriffsberechtigung über ein Portal auf sie zugreifen. Ein hin- terlegter Datei-Fingerabdruck schützt dabei vor unentdeckter Manipulation. Auf diese Weise werden die Daten für Audits si- cher nutzbar. Kalibrierungen selbst anstoßen – Wartungszyklen flexibel planen In dem Projekt „AUDIo“ küm- mern sich die Fraunhofer-For- schenden unter anderem speziell um die Kalibrierung von Werk- zeugmaschinen ohne aufwändige Vorbereitungen wie Termin- und Reiseplanungen seitens der Ma- schinen- und Anlagenbauer oder Wartungsdienstleister: Mit dem weit verbreiteten Kreisformtest („Double Ball Bar“) können KMU als Maschinenbetreiber die not- wendigen Parameter zur Ermitt- lung der Positioniergenauigkeit erfassen und selbst prüfen. Das neue IT-System erlaubt ihnen so- gar, einen Teil der notwendigen Kalibrierungen eigenständig vor- zunehmen. „Die Ergebnisse des AUDIo-Pro- jekts ermöglichen Maschinenbe- treibern jetzt einen Rollenwechsel vom passiv geprägten Auftrag- geber oder ‚Consumer‘ hin zum ‚Prosumer‘”, sagt Dipl.-Medienin- formatiker Gordon Lemme, Wis- senschaftler im Wissenschafts- bereich „Produktionssysteme und Fabrikautomatisierung“ am Fraunhofer IWU. „Das heißt, er wird quasi zu einem Verbraucher, der gleichzeitig Produzent ist, indem er die Kalibrierung zum gewünschten Zeitpunkt selbst anstoßen und notwendige Da- ten selber aufnehmen kann. Das funktioniert also ‚eventbasiert‘, ohne die bislang üblichen Warte- zeiten mit stillstehenden Maschi- nen und auch ohne Reisekosten für Servicepersonal. Wartungs- zyklen können so kurzfristig und weitestgehend unabhängig ge- plant werden.“ Hash-Funktion als Fingerabdruck Nach Erhebung der Messdaten einer Maschine mittels „Double Ball Bar“-System wird von dem Datensatz vollautomatisch ein einzigartiger Datei-Fingerabdruck generiert. Diese sogenannte Hash-Funktion zeichnet sich da- durch aus, dass sie leicht errech- net werden kann, ihre Umkehr aber ausgeschlossen ist. Dies be- deutet, dass eine Berechnung des Datei-Fingerabdrucks auf Grund- lage des Dateiinhaltes schnell und leicht realisiert werden kann, wo- hingegen es praktisch unmöglich ist, den Inhalt auf Basis des Hash- Wertes zu ermitteln. Die Daten sind fälschungssicher. Anschließend kann der Maschi- nenbetreiber die Datei verschlüs- selt auf einer bereitgestellten Dienstleistungsplattform ablegen – bei einem Clouddienstleister oder auf einem eigenen Server. DemMaschinenbauer oder einem Dienstleister kann er dann über eine Kalibrierungs-Applikation (App) entsprechende Zugriffs- rechte für die Datenanalyse oder eine Fernwartung einräumen. Datensicherung nach dem Distri- buted-Ledger-Prinzip Über die Dienstleistungsplattform wird der Datei-Fingerabdruck pa- rallel auf der Hardware aller Teil- nehmer des Netzwerks (Gateway) in Form einer identischen Kopie ab- gelegt und mit vorherigen Finger- abdrücken anderer Dateien über einen Algorithmus verkettet. Das ist das Distributed-Ledger-Prinzip: „Dadurch entsteht ein verteiltes System mit beliebig vielen Teilneh- menden, also zum Beispiel Maschi- nenbetreibern, Dienstleistern und Maschinenherstellern. Auf diese Weise lässt sich die Integrität der Daten bei diesen datengetriebe- nen Dienstleistungen sehr leicht kontrollieren. Denn bei jedem Gateway kommen die miteinander verketteten Datei-Fingerabdrücke quasi zur Deckung. Hierdurch wird die nachträgliche Manipulation ei- nes einzelnen Fingerabdrucks na- hezu unmöglich, denn durch die zahlreichen, identischen Kopien auf den vielen anderen Gateways kommt es bei einer Veränderung an nur einem Gateway zu keiner Übereinstimmung der Netzwerk- teilnehmenden. Eine Manipulation würde sofort auffalle“ erklärt Gor- don Lemme. Das System verhindert so auch, dass eine Schwachstelle, ein sog. „Single-Point-of-Failure“ entsteht. Mithilfe der Originaldateien kann der für alle Netzwerkteilnehmen- den einsehbare Datei-Fingerab- druck jederzeit neu erzeugt wer- den, wohingegen fehlerhafte Daten einen erkennbar falschen Fingerabdruck erzeugen. Zum Projekt »AUDIo« Das Forschungsprojekt „AU- DIo“ wird aufgrund eines Be- schlusses des Deutschen Bun- destages finanziert durch das BMWi-Programm „Smarte Daten- wirtschaft“, Reg.-Nr. 01MD19005. Projektpartner sind die Techni- sche Universität Dresden, die Software AG (Darmstadt) und die METROM Mechatronische Ma- schinen GmbH. Logo des Forschungsprojektes „AUDIo – Auditlösung für Machine-Learning-basierte, daten- getriebene Dienstleistungen“ Foto: Fraunhofer IWU Fortsetzung von Seite 1 Trends in der Fertigungstechnik und Zulieferindustrie Impulsvortrag von Prof. Dr. Martin Dix Mit seinem Impulsvortrag „Produk- tion von morgen – nachhaltig, flexi- bel und fehlerfrei“ am ersten Tag der Intec/Z connect 2021 greift Prof. Dr. Martin Dix, Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Werkzeug- maschinen und Umformtechnik IWU, das Thema auf. Ein weiterer Beitrag dazu lautet „Smarte Produk- tion: Adaptive Finishbearbeitung im Werkzeugbau“ von Konstantin Ku- sch vom Fraunhofer IWU. Der deut- scheWerkzeugbaumuss sich zuneh- mend dem globalen Wettbewerb stellen und steht dabei unter Zeit- und Kostendruck, berichtet der Ex- perte. Ein bedeutender Anteil bei der konventionellenHerstellung von Umformwerkzeugen entfällt auf die mechanische Bearbeitung. Dabei stellt der TryOut-Prozess und die da- mit verbundenen manuellen Glät- tungs- und Korrekturarbeiten einen schwer kalkulierbaren Prozess dar. Daher arbeite das Fraunhofer IWU mittels automatischer Druckbilder- kennungund robotergestützten, ad- aptiven Schleifprozessen an einer neuartigen reproduzierbaren Pro- zesskette. Martin Naumann ist ebenfalls am Fraunhofer IWU tätig. Der Grup- penleiter Steuerungs- und Reg- lungstechnik gibt in seinem Vortrag Auskunft über die „Möglichkeiten und Varianten der kognitiven Ro- boterprogrammierung“. Der Trend der Schnelllebigkeit – einherge- hend mit mehr Individualität und Produktvielfalt – stellt die gesamte Automatisierungsbranche vor neue Herausforderungen. Besonders In- dustrieroboter spielen aufgrund der hohen Flexibilität eine immer wichti- gere Rolle, erfordern aber neue An- sätze zur schnellen und effektiven Programmierung, teilt der Experte mit. In seinem Beitrag werden an- hand konkreter Beispiele Potenti- ale und Möglichkeiten kognitiver Roboterprogrammierung aufge- zeigt. Dabei liegt der Anwendungs- schwerpunkt auf dem Einsatz CNC- gesteuerter Industrieroboter.

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