Fruit Logistica 2020

•••3••• Innovationen Interview Smarte Apps für den Obstanbau DIEMESSE im Gespräch mit Dr. habil. Manuela Zude-Sasse vom Leibniz-Institut Was können die beiden Apps „Cherry Harvest Size“ und „Fiora- ma in-situ Fruchtanalyse“? Die beiden mobilen Apps sind erste Ansätze der Digitalisierung in der obstbaulichen Produktion, wobei es um Fragen des optima- len Erntetermins geht: Frucht- daten werden jeweils direkt am Baum aufgezeichnet. Bei der Cherry Harvest Size sind das die Fruchtgrößen; bei FIORAMA sind es Pigmentgehalte der Frucht. In der mobilen App werden die Da- ten dann weiterverrechnet. Wie funktioniert das in der Praxis? In der Cherry Harvest Size wird aus den Fruchtgrößen, die an mehreren Tagen aufgezeichnet wurden, die Wachstumsrate be- rechnet, wodurch der Produzent den Zuwachs für die kommenden Tage voraussagen kann. Wenn die Wachstumsrate unter 0,2 mm pro Tag sinkt, sollte geerntet werden. Somit lässt sich der hinsichtlich Fruchtgröße optimierte Ernte- zeitpunkt beispielsweise bei Süß- kirschen bestimmen. 2. FIORAMA visualisiert die durch einen Fruchtsensor gemessenen Daten. Es werden die grü- nen Chlorophylle und die roten Farbpigmente direkt an der Frucht aufgezeich- net. Die Daten werden über eine Cloud in die App auf dem Smartphone übertra- gen und dort im Verlauf der Fruchtentwicklung in Tagen nach Vollblüte ange- zeigt. Wenn beispielswei- se bei Apfel der Abbau des Fruchtchlorophylls stark zunimmt, sollte geerntet werden. Man kann Sensor und FIORAMA-App auch im Nacherntebereich einset- zen, um beispielsweise eine Überwachung der Früchte im La- ger vorzunehmen. Dann installiert man den Sensor direkt im Lager und die mobile App zeigt an, wie das Fruchtchlorophyll abnimmt oder auch die roten Pigmente bei einigen Pflaumen zunehmen. Die App schickt bei Unterschreiten eines Grenzwertes einen Alert (Pushnachricht auf das Smart- phone). Welche Vorteile ergeben sich durch die Nutzung der Apps für die Obstanbauer? Das Ziel unserer Forschung ist, Möglichkeiten zu finden, um den Obstanbau immer präziser zu machen und so Verluste zu vermeiden. Wenn ich ei- nen Prozess sehr präzise auf das Fruchtmaterial anpas- sen und auf Abweichungen reagieren kann, findet eine Optimierung des Prozesses statt. Das bedeutet, weni- ger Ressourcen werden be- nötigt und weniger Verluste entstehen, bezogen auf den Ertrag. Eignen sich die Apps für Be- triebe jeder Größe? Digitalisierung ist unabhän- gig von der Betriebsgröße. Die Idee ist, die Prozesse in der Produktion und im Nacherntebereich präzise an das Fruchtmaterial anzupassen, somit benötigt man immer Messstellen direkt an einer Einheit von Früch- ten. Hat man viele Einheiten, be- nötigt man mehr Messstellen. Somit ist die Investition pro Er- tragseinheit immer dieselbe. Mit wie viel Aufwand ist die Ein- richtung der Apps verbunden? Beide Apps kann jeder Besitzer eine Smartphones mit Android- Betriebssystem im Google Play Store kostenfrei downloaden. Das dauert wenige Minuten. Bei der Cherry Harvest Size handelt sich momentan noch um einen Prototyp. Die Messung zeigt häu- figer Fehlermeldungen, bis man sich an die Bedienung der Tech- nik gewöhnt hat. Hier wäre eine kommerzielle Überarbeitung der Bedienerführung in der Soft- ware wünschenswert, beispiels- weise durch eine Start-up-Firma. Das Know-how vermitteln wir gerne. Für die kostenfreie FIO- RAMA-App benötigt der Nutzer einen bereits kommerzialisier- ten kostenpflichtigen Fruchtsen- sor. Aber man kann sich bereits Beispieldatensätze, die frei ver- fügbar sind, in der App ansehen. Im Endeffekt ist der Betrieb der Apps und Sensoren nicht auf- wendiger als die visuelle Kontrol- le. Der Mehrwert entsteht, weil die Daten quantitativ und digital vorliegen und dann in der App ei- ne Fruchtinformation für die Pro- zessführung generiert wird. Wird Obstanbau in Zukunft noch digitaler oder bleibt der Mensch unverzichtbar? Ich habe große Zweifel, dass man den Menschen ersetzen kann. Wir haben aber alle immer mehr Anforderungen zu erfüllen und müssen präziser und nachhaltiger werden, wenn wir unseren aktu- ellen Lebensstandard aufrecht- erhalten wollen. Digitalisierung ermöglicht es, Informationen zu generieren, die wir als Einzelper- son allein nicht ausrechnen könn- ten, und diese Informationen räumlich und zeitlich unabhängig verfügbar zu haben. Wenn die Fruchtinformationen helfen, Pro- zesse präziser durchzuführen, und damit Ressourcen und Ver- luste einsparen, und dies durch einen einfachen Zugang ohne zu- sätzliche Belastung für den Men- schen – dann ist Digitalisierung gelungen. Das Leibniz-Institut für Ag- rartechnik und Bioökonomie e. V. hat zwei mobile Anwen- dungen entwickelt, die bei Managemententscheidungen im Obstanbau helfen sollen. Dr. habil. Manuela Zude-Sasse erklärt im Gespräch mit DIE MESSE , wie die Apps funktio- nieren und welche Vorteile sich durch die Nutzung ergeben. Dr. habil. Zude-Sasse, Leibniz-Ins- titut für Agrartechnik und Bioöko- nomie (ATB) Foto: Zude-Sasse Superfood aus entsorgtem Gemüse Spanische Forscher wollen verbesserte Lebensmittel in Form von Riegeln und Gelen entwickeln Ein von Grupo Agroponiente ge- leitetes Konsortium untersucht, wie verbesserte angereicherte Lebensmittel (aus Ernährungs- sicht) entwickelt werden kön- nen, die auch gesünder sind. Hierfür wird Obst und Gemüse verwendet, das normalerweise aufgrund von Größenstandards entsorgt wird. Wie von den Ver- antwortlichen des Naturpick- Projekts erläutert wurde, ist es das Ziel, ein neues Geschäftsfeld aufzubauen. Es soll sich auf Gar- tenbauprodukte beziehen, die die erforderlichen Qualitätsstan- dards erfüllen, jedoch aufgrund ihrer Größe oder aufgrund einer Überproduktion nicht verkauft werden können. Das Projekt verfügt über ein Budget von 1,2 Millionen Eu- ro und eine voraussichtliche Entwicklungszeit von 30 Mo- naten. Das Naturpick-Projekt untersucht Inhaltsstoffe wie Knoblauch und Zwiebeln, statt; Lebensmittel, die für ihre vielfäl- tigen gesundheitlichen Vorteile bekannt sind, wie zum Beispiel ihre Fähigkeit, das Immunsys- tem zu stärken oder kardiovas- kuläre Risikofaktoren zu redu- zieren. Das Endergebnis dieses Projekts, das sowohl von der EU als auch vom Wirtschaftsminis- terium mitfinanziert wird, ist die Entwicklung von „Superfoods“ in Form von Riegeln und Gelen, die Wirkstoffe natürlichen Ur- sprungs enthalten. Gesundes Essen liegt im Trend. Foto: Perfect Snacks Eine App für saftige Kirschen Foto: Macu ic on Unsplash

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