CEBIT 2018

•••3••• Interview Noch komfortabler und sicherer fahren DIEMESSE im Gespräch mit Timon Marius Blöcher, FZI Forschungszentrum Informatik Herr Blöcher, das FZI stellt auf der CEBIT einen Prototypen zur kame- rabasierten Messung von Vitalpa- rametern während der Autofahrt vor. Woraus besteht das System? Der aktuelle Prototyp besteht hardwaretechnisch lediglich aus einer handelsüblichen Webcam und einem Prozessor zur Verarbei- tung und Analyse der erfassten Vi- deodaten. Welche Daten werden damit erfasst? Ziel ist es, das Zusammenspiel von Fahrer und Fahrzeug zu verbes- sern. Wie könnte ein konkretes Szenario aussehen? Welche Vorteile kann das Projekt „Camera-based Driver State Monitoring“ in Kombination mit modernen Fahrerassistenzsys- temen bringen? Neben gängigen Parametern wie der Kopfpose oder dem Lidschlag erlaubt das System darüber hi- naus die Erfassung von Mimik oder Vitalparametern, wie zum Beispiel der Herzfrequenz des Fahrers, allein über eine Kamera. Dieses umfassende Parameterset soll deutlich präzisere Aussagen über die Leistungsfähigkeit oder das Müdigkeitslevel ermög- lichen als bisherige Systeme und zusätzlich Informatio- nen über die Emotion oder das Stress- und Fitnesslevel des Fahrers liefern. Im Be- darfsfall soll die Herzfre- quenzerfassung auch die Erkennung medizinischer Notfallsituationen ermög- lichen, beispielsweise den Bewusstseinsverlust bei Berufskraftfahrern oder Busfahrern, welche ein ho- hes Gefahrenpotenzial dar- stellen. Auf Basis dieser neuen Informationen könnte das Fahr- zeug deutlich gezielter warnen und eine genauere Anpassung adaptiver Fahrerassistenzsyste- me ermöglichen. Auf diese Weise könnte solch ein System das Fah- ren komfortabler und sicherer gestalten. Besonders interessant wird das System für das hochau- tomatisierte Fahren (SAE Level 3 und 4), bei welchem der Fahrer als Rückfallebene für das auto- nome Fahrzeug dient. Dabei kann der Fahrer im Bedarfs- fall vom System aufgefor- dert werden, die Fahrzeug- führung innerhalb einer Vorwarnzeit zu überneh- men. Die kamerabasierte Fahrerzustandserkennung ist Voraussetzung, um die Fahrbereitschaft des Fah- rers festzustellen und den Übergabeprozess sicherer zu gestalten. Interessant ist das System auch für das vollautonome Fahren (SAE Level 5), wenn das Fahrerlebnis im Innen- raum in den Mittelpunkt rückt und Komfortsysteme die Aufgabe haben werden, einen möglichst hohen Wohlfühlfaktor bei den Insassen zu erzeugen. Durch die Fusion von Vital- und Mimikparametern soll das Sys- tem zukünftig Aussagen über die Emotionen und das Wohlbefinden der Insassen treffen. So kann der Innenraum kontinuierlich und au- tomatisiert an die Bedarfe der In- sassen angepasst werden. Welche Rolle spielen dabei Bild- und Signalverarbeitungsalgorith- men? Das aktuelle System ist in der Lage, über entsprechend ange- lernte Modelle das Gesicht einer Person und dessen Merkmale in Bildsequenzen zu detektieren, zu verfolgen und zu analysieren. Mittels speziell trainierter Klassi- fikatoren kann es daraus die Pa- rameter Kopfpose, Lidschlagfre- quenz, Mimik und Herzfrequenz über herkömmliche Kameras er- fassen. Insbesondere hinsichtlich der kamerabasierten Herzraten- erfassung spielen Bild- und Signal- verarbeitungsalgorithmen eine wichtige Rolle, da es eine gewisse Herausforderung darstellt, den Effekt, auf dem die Erkennung beruht, von Rausch- und Stör- komponenten im Signal zu unter- scheiden. Auf dieser Basis werden mithil- fe geeigneter Analyse-Modelle Aussagen über das Aufmerksam- keits-, Müdigkeits-, Fitness- und Aufregungs-Level der Person ge- troffen. Dank spezieller Algorith- men zur Artefaktkompensation ist es weitgehend robust gegen- über Einflussfaktoren wie Fahr- erbewegungen, Fahrzeugschwin- gungen und Lichtänderungen, welche zu Störungen im Signal führen können. Das FZI stellt das System auf der CEBIT in Halle 27 vor. Welche Er- wartungen verbinden Sie damit? Besonders gespannt bin ich auf das neue Konzept der Cebit als Business-Festival und wie sich dies auf den Charakter der Ver- anstaltung auswirkt. Natürlich interessiere ich mich auch für Aus- stellungen, die sich ebenfalls mit Gestresst, müde oder gar be- wusstlos? Ein neuer Prototyp kann während der Autofahrt fortlaufend erkennen, wie es um das Wohlbefinden des Fah- rers steht. Welche Faktoren das innovative System mittels intel- ligenter Bild- und Signalverar- beitung erfasst und wie es zu mehr Sicherheit im Verkehr füh- ren kann, erläutert FZI-Wissen- schaftler Timon Marius Blöcher im Gespräch mit DIEMESSE . Weitgehend robust Timon Marius Blöcher, Wissen- schaftlicher Mitarbeiter, FZI Forschungszentrum Informatik am Karlsruher Institut für Techno- logie Foto: FZI Forschungszentrum Informatik Fahrer müde? Das System erkennt dies und warnt den Wagenlenker. Foto: FZI Forschungszentrum Informatik Fortsetzung auf Seite 4

RkJQdWJsaXNoZXIy NjM5MzU=