LIGNA 2017

•••3••• Interview Noch mehr Sitzkomfort dank 3D-Druck DIEMESSE im Gespräch mit Tony Gauser, Institut für Holztechnologie Dresden (IHD) Mit „3D-FeSy“ hat das Institut für Holztechnologie Dresden (IHD) ein neues Forschungsprojekt ge- startet, das die Entwicklung eines integralen Federungssystems für Polstermöbel vorsieht. Welche Zie- le verfolgen Sie damit? Hauptziel des Projekts ist es, ei- ne technische Lösung zu entwi- ckeln, die es den Polstermöbel- herstellern ermöglicht, auf die aktuellen Trends mit Produkten zu reagieren, die einerseits der gewohnt hohen Qualität entspre- chen und andererseits aber auch wirtschaftlich herstellbar sind. Das Thema der Standortsiche- rung ist dabei ein wichtiger Punkt. Neben den eher wirtschaftlichen Aspekten wollen wir aber auch eine neue Qualität an Sitzkom- fort mithilfe des integra- len Federsystems möglich machen. Dafür muss es ge- lingen, den Charakter des Sitzes von Abhängigkeiten aus dem Gestell und dessen Geometrie zu lösen. Mit der Berechnung am Computer soll zukünftig somit jeder erdenkliche Sitzcharakter abgebildet werden. Wenn Sie den Faden weiterspin- nen, wäre es auch denkbar, kundenspezifische Sitzcha- raktere anzubieten – und das oh- ne exorbitante Kosten. Einen wichtigen Punkt möchte ich noch erwähnen: Mit dem Projekt und dem angestrebten Ziel lösen wir die bisherige Grenze zwischen Unterfederung und Polsterung auf. Das heißt, unser Federsystem soll neben der klassischen Un- terfederung auch Teile der Pols- terung, also auch Schaumstoff- strukturen, integrieren. Herkömmlich werden die Unter- federungen durch Kombination verschiedener elastischer Kom- ponenten wie Schaum, Wellfe- dern, Tonnenfeder usw. erzeugt. Jede Variation erfordert andere Komponenten. Bei der generati- ven Fertigung spielen Variationen bis zu einem gewissen Punkt eine eher untergeordnete Rolle. Klar können die Hersteller auch auf Erfahrungswerte zurückgreifen, aber das ist sehr ungenau und im Hinblick auf den Nach- wuchsmangel auch zeitlich begrenzt – aber das ist eine andere Baustelle. Bei der Entwicklung setzen Sie auf das Fused-Filament- Fabrication-Verfahren. Was verbirgt sich dahinter? Bei diesem 3D-Druck-Ver- fahren wird ein Ausgangs- material – als Granulat oder als drahtförmiges Filament von der Rolle – zum Druck- kopf befördert, dort geschmolzen und CNC-gesteuert schichtweise abgelegt. Es ist sicher nicht das spektakulärste der verschiede- nen 3D-Druck-Verfahren, aber es ist das Verfahren mit dem größ- ten Potenzial für die Polstermö- belindustrie. Die Gründe dafür sind die Vorteile der vergleichs- weise einfachen Technik. Dadurch liegt einerseits die Anschaffung in einem realistischen Rahmen, das Clustern wäre wirtschaftlich abso- lut sinnvoll und auch die Handha- bung und Bedienung kann durch das in der Branche verfügbare Fachpersonal erfolgen. Auch Wei- terentwicklungen im Bereich des Druckkopfs sind adaptierbar. Warum eignen sich additive Ferti- gungsverfahren besonders für indi- vidualisierte Produkte und für die Herstellung kleiner Stückzahlen? Zwei Dinge sind hier wesentlich. Zum einen steht die generative Fertigung immer im Zusammen- hang mit einem digitalen Geome- triedatenmodell, das alle relevan- ten Daten enthält. Damit ist es computergestützt modifizierbar und berechenbar. Folglich können individuelle Wünsche durch die Modifikationen mit digitalenWerk- zeugen amGeometriedatenmodell eingearbeitet werden. Es muss in der Regel nichts vollständig neu konstruiert oder aufgebaut wer- den. Idealisiert könnte man auch sagen, dass die Vorteile eines Bau- kastensystems, das in der Branche sehr geschätzt wird, durch eine modifizierbare Komponente subs- tituiert werden kann. Die Variation erfolgt dann lediglich in der Mate- rialzuführung und der Geometrie. Das ist auch der zweite wichtige Aspekt: Die bisherige Lagerhal- tung für die vielen Variationen ist nicht zu unterschätzen – weder im physischen Sinne in Form von Lagerkapazitäten noch die logis- tischen Aspekte. Bestellmengen, Lieferzeiten, Ersatzteile usw., je- de weitere individuelle Lösung, sofern diese nicht durch den Bau- kasten abgedeckt werden kann, erfordert einen größeren Lager- bestand. Beim Einsatz der gene- rativen Fertigung kann das Aus- gangsmaterial kompakt gelagert werden. Die Logistik dabei ist sehr überschaubar. Im Grunde müsste nur eine definierte Mindestmenge im Lager sichergestellt werden. Ganz neue Qualität an Sitzkom- fort: Mittels 3D-Druck wollen Forscher des Instituts für Holz- technologie Dresden (IHD) ein integrales Federungssystem für Polstermöbel entwickeln. „Mit dem Projekt und dem angestreb- ten Ziel lösen wir die bisherige Grenze zwischen Unterfederung und Polsterung auf“, sagt Tony Gauser, Experte für Möbelent- wicklung am IHD, im Gespräch mit DIEMESSE. Modizierbare Komponenten Tony Gauser, Institut für Holztech- nologie Dresden (IHD) Foto: IHD Generative Fertigung als Bereicherung für die Möbel- industrie: Federungssysteme im Druckprozess Foto: IHD Fortsetzung auf Seite 4 Individuelle Sitzcharaktere

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