Hannover Messe 2018

•••3••• Interview Vollständige Elektromotoren im 3D-Druck DIEMESSE im Gespräch mit Prof. Dr. Ralf Werner, Technische Universität Chemnitz Herr Prof. Dr. Werner, auf der Han- nover Messe präsentieren Sie als Weltneuheit den Druck von voll- ständigen elektrischen Motoren. Was bildet die Grundlage dieses neuen Ansatzes? Seit über 100 Jahren werden elek- trische Maschinen industriell her- gestellt. Die konventionellen Fer- tigungstechnologien sind weit entwickelt. Wesentliche Verbes- serungen des Wirkungsgrades sowie der Drehmoment- und Leis- tungsdichte sind nur durch neue Werkstoffe oder neue Motorto- pologien möglich. Durch unser 3D-Druckverfahren können einer- seits nahezu beliebige Motorgeo- metrien realisiert werden, welche sich mit der klassischen Fertigung durch Stanzen von Elektroblechen nicht verwirklichen lassen. Ande- rerseits ermöglicht unser Druck- verfahren den Einsatz von Kera- mik als Isolationswerkstoff mit weitaus besseren thermischen Ei- genschaften im Vergleich zu den derzeit eingesetzten organischen Isolierstoffen. Was zeichnet das selbst ent- wickelte 3D-Multimaterial- druckverfahren darüber hi- naus aus? Jede elektrische Maschine besteht hauptsächlich aus drei verschiedenen Material- klassen: erstens Leiterwerk- stoffe (zum Beispiel Kupfer oder Aluminium), zweitens Magnetkreiswer k stof fe (zum Beispiel eisenhaltige Legierungen) und drittens Isolationswerkstoffe (zum Beispiel polymerbasierte Isolationsmaterialien oder Keramik). Unser Druckverfahren wur- de dahin gehend entwickelt, aus diesen drei unterschied- lichen Materialien gleichzeitig ein Werkstück zu drucken. Auf diese Weise lassen sich die guten thermi- schen Eigenschaften der Keramik ohne Einschränkungen hinsichtlich der Verarbeitbarkeit ausnutzen. Bei dem Verfahren werden kon- ventionelle polymerbasierte Iso- lationsmaterialien durch spezielle Keramiken ersetzt. Welche Eigen- schaften weisen diese Keramiken auf? Keramiken weisen gegen- über konventionellen po- lymerbasierten Isolations- materialien eine wesentlich höhere Wärmebeständigkeit auf. Während die derzeitigen organischen Isolationsmate- rialien Wicklungstemperatu- ren bis etwa 180 °C erlauben, sind mit Keramiken Tem- peraturen bis über 300 °C zulässig. Bedingt durch die höheren Einsatztempe- raturen muss jedoch die Wärmeausdehnung der Ke- ramiken sorgfältig auf die Wärmeausdehnungen der metallischen Werkstoffe ab- gestimmt werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz von Kerami- ken im 3D-Multimaterialdruck. Das keramische Isolationsmate- rial verfügt auch über eine höhe- re Wärmeleitfähigkeit. Warum ist das wichtig? In den Wicklungen elektrischer Maschinen entstehen Verluste. Die Verlustwärme muss durch die Isolation hindurch an das Ge- häuse und das Kühlmedium ab- geführt werden. Dabei stellt die Isolation einen wesentlichen Wi- derstand für den Wärmestrom dar. Eine höhere Wärmeleitfä- higkeit führt zu einem geringe- ren Temperaturunterschied zwi- schen Wicklung und Gehäuse und bedeutet demnach eine bessere Kühlung der Wicklung. Die maximal zulässige Wicklungs- temperatur bestimmt die zuläs- sige Verlustleistung und damit gleichzeitig die maximale Leis- tung und das maximale Drehmo- ment der elektrischen Maschine. Somit erweisen sich die zulässi- ge Wicklungstemperatur und die Kühlbedingungen als dominieren- de Faktoren für die Leistungs- und Drehmomentdichte elektrischer Maschinen. Dank der besseren thermischen Kopplung der Wick- lung durch die keramische Isola- tion lassen sich das Drehmoment und die Leistung einer elektri- schen Maschine bei gleichen Ab- messungen erhöhen. Welche Anwendungsszenarien gibt es künftig für das 3D-Multi- materialdruck-Verfahren? Die Anwendungsszenarien kön- nen in zwei Hauptrichtungen unterschieden werden: Das sind erstens Maschinen mit beson- ders hoher Leistungsdichte und Mithilfe von metallischen und keramischen Pasten gelang For- schern der TU Chemnitz erstmals der Druck von vollständigen elek- trischen Motoren. Mit dem neu- en Verfahren können „nahezu beliebige Motorgeometrien rea- lisiert werden“, erklärt Prof. Dr. Ralf Werner, Inhaber der Profes- sur für Elektrische Energiewand- lungssysteme und Antriebe, im Gespräch mit DIEMESSE . Prof. Dr.-Ing. Ralf Werner, Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik, Technische Universität Chemnitz Foto: TU Chemnitz Diese Statoren einer dreiphasigen wickelkopflosen Reluktanzmaschine wurden mittels 3D- Multimaterialdruck hergestellt. Foto: TU Chemnitz / Jacob Müller Fortsetzung auf Seite 8

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